Markus Koob MdB

Lieferkettensorgfaltsgesetz (LkSG)

Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das der Deutsche Bundestag am 11. Juni 2021 beschlossen hat, setzen wir eine Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag, einen Beschluss des CDU-Bundesparteitags von 2019 wie auch unsere Festlegungen aus der letztjährigen Nachhaltigkeitswoche (Antrag von CDU/CSU und SPD vom 15. September 2020, BT-Drs. 19/22505) um. Mit dem Gesetz verpflichten wir Unternehmen ab einer bestimmten Größe (zum 1.1.2023 für Unternehmen ab 3000 Beschäftigte im Inland, zum 1.1.2024 für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigte) dazu, dafür Sorge zu tragen, dass es in ihrer globalen Lieferkette nicht zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Im Kern geht es darum, dass Waren und Dienstleistungen, die die Verbraucher in Deutschland beziehen, nicht unter Nutzung ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse hergestellt werden, sei es bei den Näherinnen in der Textilfabrik oder dem Arbeiter in der Landwirtschaft. Das Gesetz wird auch dazu beitragen, ausbeuterische Kinderarbeit zurückzudrängen wie auch Umweltschäden, die z.B. über die Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit einen Bezug zu Menschenrechten haben. Die vom Gesetz erfassten Menschenrechte sind in 14 internationalen Übereinkommen festgehalten, einschließlich dreier Abkommen zum Umweltschutz.

Quelle: Christiane LangQuelle: Christiane Lang

Die Unternehmen werden konkret dazu verpflichtet, für ihren eigenen Geschäftsbereich wie auch für ihre unmittelbaren Zulieferer und anlassbezogen für mittelbare Zulieferer Risikoanalysen darüber zu erarbeiten, wo mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung eines Menschenrechts droht. In einem solchen Fall sind vorbeugende Maßnahmen und ggf. Abhilfemaßnahmen vorzunehmen, um den Verstoß zu vermeiden oder zu beenden. Einzurichten ist ein Beschwerdemechanismus, der es Personen, die sich in der Lieferkette in ihren Rechten verletzt sehen, wie auch Dritten ermöglicht, das Unternehmen in Deutschland darauf hinzuweisen. Das Unternehmen ist dann verpflichtet, einer Beschwerde oder einem Hinweis nachzugehen.

Gesetzgeberisches Handeln war erforderlich geworden, weil das Angebot der freiwilligen Wahrnehmung der Sorgfaltspflichten durch die Unternehmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte von der Wirtschaft nur unzureichend angenommen wurde.

Die Union konnte wichtige Anliegen im Gesetzestext verankern:

-      Schaffung eines wirksamen Gesetzes hinsichtlich der Beachtung der Menschenrechte in der Lieferkette, ohne dabei bestehende und neue entwicklungspolitisch wichtige und verantwortlich gestaltete Handels- und Investitionsbeziehungen mit Entwicklungsländern zu erschweren.

-      Stärkung der Rechtssicherheit bei den Unternehmen, in dem die Pflichten aus dem Gesetz keine neue Haftungsgrundlage begründen und damit für die Unternehmen keine neuen Haftungsrisiken entstehen. Stattdessen setzt das Gesetz vielmehr auf eine behördliche Durchsetzung im Verwaltungsverfahren und mit Mitteln des Ordnungswidrigkeitsrechts.

-      Stärkung der Klarheit und Umsetzbarkeit wichtiger Regelungen durch die Unternehmen nach dem Grundsatz, dass nichts Unmögliches verlangt werden darf, sondern nur Machbares und Angemessenes.

-      Zu betonen ist, dass keine der erreichten Klarstellungen das Ziel der Stärkung der Menschenrechte in der Lieferkette infrage stellt. So sind z.B. mittelbare Zulieferer, bei denen je nach Sitzland oder Branche hohe Risiken hinsichtlich der Beachtung der Menschenrechte vermutet werden können, dadurch erfasst, dass Unternehmen verpflichtet sind, sie in ihre Risikoanalysen einzubeziehen, wenn ihnen eine substantiierte Kenntnis („tatsächliche Anhaltspunkte“) über mögliche Verletzungen vorliegen.

Einzelne Vereinbarungen im Gesetz, die Rechtssicherheit und Umsetzbarkeit stärken:

-      Keine neue zivilrechtliche Haftung: Es wurde im Gesetz eindeutig verankert, dass eine Verletzung der Pflichten des Gesetzes keine zusätzliche zivilrechtliche Haftung begründet. Unberührt bleibt eine unabhängig von diesem Gesetz bereits heute bestehende zivilrechtliche Haftung.

-      Behördliche Durchsetzung: Die zum Zwecke einer Verbesserung der Menschenrechtslage in internationalen Lieferketten begründeten neuen Sorgfaltspflichten sollen vielmehr im Verwaltungsverfahren und mit Mitteln des Ordnungswidrigkeitsrechts durchgesetzt und sanktioniert werden. Zuständige Behörde wird das im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft angesiedelte Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sein. An das BAFA erfolgt auch die verpflichtende Berichtserstattung der Unternehmen. Zusätzlich werden Handreichungen des BAFA und Beratungsangebote der Bundesregierung den Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Pflichten aus dem Gesetz helfen. Wenn diese vorliegen, sollte sich die Mehrzahl jetzt noch bestehender Fragen in der Wirtschaft beantworten.

-      Rechtssicherheit auch durch klare Umsetzungsregelungen mit Augenmaß gestärkt: Im parlamentarischen Verfahren ist es uns gelungen, eine Vielzahl von Verfahrensregelungen so zu gestalten und zu formulieren, dass sie durch die Unternehmen umsetzbar sind, ohne dabei aber das Ziel, die menschenrechtlichen Risiken zu erfassen, infrage zu stellen. Dabei gilt das Leitprinzip, dass weder rechtlich noch faktisch Unmögliches von den Unternehmen verlangt werden kann, sondern nur Machbares und Angemessenes:

o   So ist klargestellt, dass die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten eine Bemühenspflicht darstellen, also eine Pflicht zu dem Verfahren, Sorgfaltspflichten wahrzunehmen, aber nicht zur Garantie, dass es nicht zu Menschenrechtsverletzungen kommt, also keine Erfolgspflicht. (In der Änderungsbegründung zu §3 LkSG heißt es jetzt: „Die Sorgfaltspflichten nach §3 Absatz 1 regeln eine Due-Diligence, das heißt eine Verfahrenspflicht: Unternehmen werden nicht zur Garantie eines Erfolges verpflichtet, sondern zur Durchführung der konkreten Maßnahmen“.)

o   Klargestellt wurde auch, dass „tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht bei einem mittelbaren Zulieferer erforderlich sind, um als Vorliegen einer „substantiierten Kenntnis“ gewertet zu werden, was wiederum die Pflicht des Unternehmens auslöst, diesen mittelbaren Zulieferer in seine Risikoanalyse aufzunehmen.

o   Nach dem Prinzip, dass von den Unternehmen weder rechtlich noch faktisch Unmögliches verlangt werden kann, wurde klargestellt, dass dies z.B. auch bedeutet, dass von einem Unternehmen trotz aller Bemühungen aufgrund fehlender Einflussmöglichkeiten nicht verlangt werden kann, die Herkunft bestimmter Rohstoffe nachzuverfolgen, wenn diese über internationale Rohstoffbörsen bezogen wurden. In gleicher Weise wäre dieses Prinzip auch auf Rohstoffe anzuwenden, die durch Recycling gewonnen wurden. Ein anderer Anwendungsbereich wäre die Lebensmittelwirtschaft, wenn z.B. eine Vielzahl von Kleinbauern jeweils kleine Mengen von Gewürzen produziert und diese über Zwischen- und Großhändler zum Besteller in Deutschland kommen, der dann die Herkunft in aller Regel auch nicht rückverfolgen kann. (Text in der Änderungsbegründung zu §3 LkSG: „Klar ist dabei: von keinem Unternehmen darf etwas rechtlich oder tatsächlich Unmögliches verlangt werden. Das Unternehmen hat seine Sorgfaltspflichten erfüllt, auch wenn es seine gesamte Lieferkette nicht nachverfolgen oder bestimmte Präventions- oder Abhilfemaßnahmen nicht vornehmen konnte, weil dies tatsächlich oder rechtlich unmöglich gewesen wäre.“)

o   Wichtige Klarstellungen betreffen auch die erforderlichen Abhilfemaßnahmen im Falle von Menschenrechtsverletzungen. Wichtig ist die getroffene Differenzierung. Wurden Menschenrechtsverletzungen im Inland (also in Deutschland) und „im eigenen Geschäftsbereich“ des Unternehmens festgestellt, muss die Abhilfemaßnahme zu einer Beendigung der Verletzung führen, weil dann die entsprechende Einflussmöglichkeit unterstellt werden darf. Im eigenen Geschäftsbereich im Ausland ist der Einfluss aber geringer, daher muss die Abhilfemaßnahme hier nur „in der Regel“ zur Beendigung der Verletzung führen.

o   Ultima Ratio im Maßnahmenkatalog zur Beendigung oder Vermeidung einer Menschenrechtsverletzung ist ein Geschäftsabbruch. Dieser würde bei schweren Verletzungen infrage kommen, wenn alle anderen Maßnahmen nicht zum Erfolg führen. Um nicht bei Geschäftsbeziehungen zu Staaten, die internationale Übereinkommen, die im LkSG erfasst sind, nicht ratifiziert haben oder innerstaatlich nicht umsetzen, fast zwingend vor die Frage des Geschäftsabbruches gestellt zu werden, wurde vereinbart, dass dieser Umstand nicht zur Pflicht des Abbruchs der Geschäftsbeziehung führen kann. (Änderung im Wortlaut des § 7 LkSG: „Die bloße Tatsache, dass ein Staat eines der in der Anlage zu diesem Gesetz aufgelisteten Übereinkommen nicht ratifiziert oder nicht in sein nationales Recht umgesetzt hat, führt nicht zu einer Pflicht zum Abbruch der Geschäftsbeziehung.“)

o   Vereinbart wurde, dass als Maßnahme zur Vorbeugung (Prävention) menschenrechtlicher Verletzungen bei mittelbaren Zulieferern auch die Umsetzung sog. Brancheninitiativen infrage kommt, in denen sich meistens in einem Sektor (z.B. im Textilbereich) Besteller und Hersteller zusammen tun, um gemeinsam bestimmte Standards in ihrer Lieferkette zu halten. Von der Wahrnehmung der Sorgfaltspflichten (Risikoanalyse etc.) entbindet dies die teilnehmenden Unternehmen nicht, aber im Falle bewährter und anerkannter Brancheninitiativen hilft es ihnen bei der Erfüllung dieser Pflichten.

o   Es wurde eine Missbrauchsregelung für den Beschwerdemechanismus vereinbart, die die Pflicht zum Handeln des Unternehmens beschränkt, wenn offenkundig ein Missbrauch vorliegt, z.B. bei Eingang einer Massenmail ohne inhaltliche Substanz. (Text in der Änderungsbegründung zu § 8 LkSG: „Eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Beschwerdekanals, etwa durch die Versendung einer Vielzahl identischer E-Mails an die zuständige Stelle, ist nicht als Beschwerde im Sinne von § 8 zu verstehen.“)

-      Weitere Vereinbarungen im Rahmen des Gesetzes:

o   Um Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen zu vermeiden, wurde auch erreicht, dass rechtlich unselbständige ausländische Tochterunternehmen bzw. Zweigniederlassungen in Deutschland ebenfalls einbezogen werden.

o   Eine unabhängig von diesem Gesetz begründete zivilrechtliche Haftung kann künftig auf dem Wege der Prozessstandschaft geltend gemacht werden. Danach können Personen, die sich in ihren Menschenrechten verletzt sehen, eine Gewerkschaft oder eine Nichtregierungsorganisation beauftragen, in ihrem Namen Klage zu erheben. Zu betonen ist, dass dies kein Verbandsklagerecht ist und keine Beweislastumkehr erfolgt. In jedem Falle liegt das Prozesskostenrisiko beim Kläger.

o   Zum sog. „eigenen Geschäftsbereich“ eines Unternehmens zählen auch beherrschte Tochterunternehmen im Ausland.

o   Eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, nach der der Unternehmer künftig den Wirtschaftsausschuss auch zu Fragen der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG zu unterrichten hat.

 

Gesamtbewertung:

Insgesamt führen diese Regelungen im Gesetz zu einer abgewogenen und gut vertretbaren Lösung hinsichtlich der Rechtssicherheit und Umsetzbarkeit durch die Unternehmen bei gleichzeitiger Sicherung der Wirksamkeit für die Menschenrechte.

Gerade deshalb sollte dies im europäischen Vergleich bisher weitreichendste Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auch zum Vorbild für eine einheitliche europäische Lieferkettensorgfaltspflichtenregelung werden. Eine europäische Regelung ist wichtig, damit nicht die Unternehmen in Europa Wettbewerbsnachteile erleiden, die sich um die Einhaltung der Menschenrechte kümmern, während die Unternehmen Vorteile haben, die Menschenrechtsverletzungen in ihrer internationalen Lieferkette zumindest durch Wegschauen in Kauf nehmen. Drei Jahre nach Inkrafttreten des deutschen Gesetzes wird dieses einer Evaluierung unterzogen. Eine Evaluierung wird auch mit Inkrafttreten einer europäischen Lieferkettensorgfaltspflichtenregelung erfolgen. Je nach Ausgestaltung der europäischen Regelung wird dann auch eine Anpassung des deutschen Gesetzes zu prüfen sein, schon um Parallelverpflichtungen zu vermeiden.