Ergebnisse des Europäischen Rates
Am Dienstag ist in den frühen Morgenstunden eine der längsten Tagungen des Europäischen Rates zu Ende gegangen. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich, unter Vermittlung von Bundeskanzlerin und des französischen Staatspräsidenten, auf einen Mittelfristigen Finanzrahmen (MFR) von 1.074 Milliarden Euro und einen Aufbauplan in Höhe von 750 Milliarden Euro geeinigt und damit vor allem ein Signal der Handlungsfähigkeit der EU-27 ausgesandt.
Aus einem Aufbauinstrument „Next Generation EU“ sollen ab dem 1. Januar 2021 insbesondere Mittel an die von der Pandemie am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten fließen. Einen solchen Fonds hatten Bundeskanzlerin Merkel und Staatspräsident Macron bereits mit ihrer gemeinsamen Initiative im Mai vorgeschlagen. Die Mittel setzen sich aus Zuschüssen (390 Mrd. Euro) und Krediten (360 Mrd. Euro) zusammen. Ziel ist es, damit eine nachhaltige Erholung vom durch die Pandemie verursachten wirtschaftlichen Einbruch zu unterstützen, Investitionen in die Zukunft und in die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zu tätigen und Klimaschutz und digitalen Wandel zu befördern.
Auf die einzelnen Programme des Aufbauinstruments „Next Generation EU“ entfallen in Preisen 2018:
672,5 Mrd. Euro auf die Aufbau- und Resilienzfazilität (davon 360 Mrd. Euro Kredite),
47,5 Mrd. Euro auf ReactEU (Aufbauhilfe für den Zusammenhalt und die Gebiete Europas),
5 Mrd. Euro auf Horizont Europa (EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation),
5,6 Mrd. Euro auf InvestEU (EU-Finanzierungsinstrumente zur Förderung von Investitionen),
7,5 Mrd. Euro auf die Entwicklung des ländlichen Raums,
10 Mrd. Euro auf den Fonds für einen gerechten Übergang sowie
1,9 Mrd. Euro auf RescEU (EU-Katastrophenschutz-System).
Die Mittel des Aufbauinstruments sind befristet, um gezielt bei der Bewältigung von Folgen der Pandemie zu unterstützen. Die Mittelbindung muss bis Ende 2023 erfolgen, die Verausgabung der Mittel muss bis Ende 2026 abgeschlossen sein. Die Finanzierung des Aufbauinstruments erfolgt über eine zeitlich, dem Zweck und der Höhe nach begrenzte Aufnahme von Mitteln an den Kapitalmärkten durch die Europäische Kommission. Die Rückzahlung wird so geplant, dass bis zum 31. Dezember 2058 eine stetige und vorhersehbare Verringerung der Verbindlichkeiten gewährleistet ist.
Kernstück des Aufbauinstruments ist die Aufbau- und Resilienzfazilität. Die Anträge der Mitgliedstaaten, sogenannte Aufbau- und Resilienzpläne, sollen von der Europäischen Kommission begutachtet und anschließend vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit gebilligt werden. Bevor die Europäische Kommission einzelne Auszahlungen entlang der im Antrag festgelegten Zielvorgaben vornimmt, soll sie dem Wirtschafts- und Finanzausschuss Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Sollte ausnahmsweise der Wirtschafts- und Finanzausschuss keinen Konsens erreichen und mindestens ein Mitgliedstaat schwerwiegende Abweichungen bei den Zielvorgaben erkennen, kann der Präsident des Europäischen Rats gebeten werden, das Thema auf die Tagesordnung des nächsten Europäischen Rats zu setzen. Wird der Europäische Rat mit der Angelegenheit befasst, so trifft die Kommission keine Entscheidung über die zufriedenstellende Erfüllung der Etappenziele und Zielvorgaben und über die Genehmigung der Zahlungen, bis der Europäische Rat die Angelegenheit auf seiner nächsten Tagung erörtert hat.
Wie die Aufbaumittel insgesamt, sind auch die Mittel der Fazilität befristet. Bis einschließlich 2022 sollen 70% der Mittelzusagen für Zuschüsse erfolgen. Als Maßstab für die Krisenbetroffenheit soll dafür in der Verteilformel die Arbeitslosigkeit durch die BIP-Rückgänge 2020/2021 ersetzt werden. Die Obergrenze für Kreditanträge der Mitgliedstaaten soll bei 6,8% ihres Bruttonationaleinkommens liegen.
Der neue europäische Haushalt für die kommenden sieben Jahre in Höhe von 1.074 Milliarden Euro ist eine gute Grundlage für gemeinsame Zukunftsaufgaben. Unterm Strich ist ein guter Haushalt gelungen für einen Kontinent, der den Klimaschutz künftig mit 30 % seiner Ausgaben unterstützt, der Wachstum, Innovationen und das Versprechen sozialen Zusammenhalts zusammenbringt und auch die bewährten Politikbereiche entsprechend ausstattet. Die Aufteilung auf die einzelnen Rubriken und Jahre ist in der Tabelle im Anhang ersichtlich. Schwerpunkte sind u.a. Digitalisierung und Forschung. Die stärkere europäische Zusammenarbeit in der Migrations- ebenso wie der Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist durch diesen Haushalt auch finanziell deutlich stärker unterlegt als bisher.
Hinsichtlich neuer Eigenmittel soll ab 2021 eine Abgabe auf nicht-recycelte Plastikabfälle eingeführt werden. Gleichzeitig soll die Kommission im ersten Halbjahr 2021 Vorschläge zu einem CO2-Grenzausgleich-Mechanismsus sowie zu einer Digitalabgabe vorlegen. Diese Vorschläge werden dann genau zu prüfen und im Rat zu verhandeln sein.
Der Bundeskanzlerin ist es in den Verhandlungen auch gelungen, weitere für Deutschland wichtige Anliegen zu erreichen. Sie hat Nachbesserungen bei der Unterstützung für die ostdeutschen Länder (zusätzlich 650 Mio. Euro) sowie bei Mitteln für die ländliche Entwicklung in ganz Deutschland (ebenfalls zusätzlich 650 Mio. Euro) erreicht. Eine Kappung der Direktzahlungen in der Agrarpolitik bleibt freiwillig und schafft besonders für die landwirtschaftlichen Betriebe in Ostdeutschland Planungssicherheit. Auch ist es gelungen, eine fairere Lastenteilung unter den Nettozahlern zu vereinbaren. Dabei haben wir gegenüber dem im Februar noch diskutierten Stand signifikante Verbesserungen erreicht und gleichzeitig als größter Mitgliedstaat unsere Position mit Verantwortung und Augenmaß durchgesetzt. Die Korrektur der deutschen Beiträge wird brutto rd. 3,7 Mrd. EUR jährlich in Preisen 2020 betragen.
Wir haben auch erreicht, dass ein Bekenntnis des Europäischen Rates zur Rechtsstaatlichkeit und ein Mechanismus zum Schutz des Haushalts im MFR verankert wurde. Im Fall von Verstößen soll die Europäische Kommission konkrete Vorschläge für Maßnahmen vorlegen, die der Rat mit qualifizierter Mehrheit bestätigen soll.
Nun stehen die Verhandlungen im Rat über einzelne Rechtsetzungsakte und vor allem die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament an. Diese Verhandlungen werden nicht einfach werden, aber wir werden uns für eine rasche Einigung einsetzen, damit wir die europäischen Mittel des Aufbaufonds bald einsetzen können.
Deutschland kann es auf Dauer nur gut gehen, wenn es auch Europa gutgeht.