Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung
Kürzere Wartezeiten auf einen Arzttermin, mehr Leistungen für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung und eine bessere und flächendeckende Gesundheitsversorgung im ländlichen und strukturschwachen Raum – dafür haben wir uns stark gemacht und setzen diese Forderungen mit dem heute verabschiedeten Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) um.
Besonders ein besserer Zugang zur medizinischen Versorgung für GKV-Versicherte ist uns ein wichtiges Anliegen. Damit reagieren wir auf den verständlichen Ärger der Bürgerinnen und Bürger über zu lange Wartezeiten auf einen Termin beim Arzt und entlasten gleichzeitig unsere Notfallambulanzen in den Kliniken.
Im Detail sieht der Gesetzentwurf vor, das Mindestsprechstundenangebot der Vertragsärztinnen und -ärzte für die Versorgung von gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten von 20 auf 25 Stunden zu erhöhen. Gleichzeitig sollen Fachärzte künftig auch offene Sprechstunden anbieten. Für erbrachte Mehrleistungen werden die Ärztinnen und Ärzte aber selbstverständlich auch zusätzlich besser vergütet. Vorgesehen sind unter anderem mehr Geld für die „sprechende Medizin“, ein Zuschlag von 10 Euro für eine erfolgreiche Vermittlung eines Facharzt-Termins durch eine Hausärztin bzw. einen Hausarzt und die extrabudgetäre Vergütung von Leistungen für die Behandlung neuer Patientinnen und Patienten.
Auch für die Behandlung derjenigen Patientinnen und Patienten, die wegen eines Behandlungsbedarfs die Arztpraxis in der offenen Sprechstunde aufsuchen müssen, wird es eine extrabudgetäre Vergütung geben. Erhalten Patientinnen und Patienten beispielsweise über die Terminservicestelle beim Arzt besonders schnell einen Termin, können die Ärztinnen und Ärzte zusätzlich zur extrabudgetären Vergütung im Übrigen auch mit Zuschlägen von bis zu 50 Prozent auf ihre jeweilige Grundpauschale rechnen. Wichtig ist uns auch, dass die „sprechende Medizin“ einen höheren Stellenwert bekommt. Die bessere Bezahlung dient dazu, dem persönlichen Gespräch zwischen Arzt und Patient mehr Raum zu geben.
Wie der Titel des Gesetzes bereits verdeutlicht, verbessern wir mit dem Gesetz auch die Unterstützung der Patientinnen und Patienten bei der Arztsuche. Hierfür bauen wir die bereits heute existierenden Terminservicestellen aus. Diese werden künftig unter der bundesweit einheitlichen Rufnummer 116117 täglich 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche erreichbar sein. In Akutfällen wird Patientinnen und Patienten über diese Terminservicestellen direkt ein Termin vermittelt – entweder in einer normalen Arztpraxis, in einer Portal- oder Bereitschaftsdienstpraxis oder in einer Notfallambulanz. Zudem vermitteln diese Stellen künftig nicht nur Termine bei Fachärzten und Hausärzten, sondern unterstützen Versicherte auch bei der Suche nach einem Haus- oder Kinderarzt, der die Patientinnen und Patienten dauerhaft versorgt.
Mit dem Gesetz ist außerdem vorgesehen, den ländlichen Raum weiter zu stärken. So erhalten Ärztinnen und Ärzte, die in strukturschwachen und vertragsärztlich unterversorgten ländlichen Räumen praktizieren, künftig regionale Zuschläge. Auch sollen die Grundlagen der Bedarfsplanung weiterentwickelt und die Förder- und Sicherstellungsinstrumente der Kassenärztlichen Vereinigungen erweitert werden. Darüber hinaus schaffen wir Ausnahmen von den Zulassungsbeschränkungen in ländlichen oder strukturschwachen Teilgebieten. So regeln wir, dass die Bundesländer neben den betroffenen Teilgebieten auch die betroffenen Arztgruppen oder Fachrichtungen festlegen können. In den von der Ausnahme betroffenen Teilgebieten und Arztgruppen oder Fachrichtungen gilt dann eine uneingeschränkte Niederlassungsfreiheit für die Neuniederlassung von Ärztinnen und Ärzten. Dabei binden wir die Bundesländer stärker ein, denn der Landesausschuss muss bei Aufstellung von Kriterien für die Bestimmung der Teilgebiete Einvernehmen mit den Ländern herstellen.
Darüber hinaus enthält das TSVG inklusive der 54 Änderungsanträge unter anderem die folgenden Maßnahmen:
Stärkung der hausarztzentrierten Versorgung
Mit dem Gesetz stärken wir die hausarztzentrierte Versorgung. So führen wir im Wahltarif der hausarztzentrierten Versorgung eine verpflichtende Bonifizierung ein. Sobald die Krankenkassen Effizienzgewinne erzielen, sollen die Versicherten daran beteiligt werden. Damit stärken wir die Rolle der Hausärztinnen und der Hausärzte und deren Lotsenfunktion in der gesundheitlichen Versorgung.
Stärkung der Heilmittelerbringer
Wir haben uns als Unionsfraktion im parlamentarischen Verfahren für eine bessere Vergütung von Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Podologen und Diätassistenten eingesetzt. Hierfür schaffen wir mit dem TSVG bundesweit einheitliche und angemessene Preise für Heilmittelleistungen auf der Basis der heute bundesweit am höchsten bezahlten Preise. Darüber hinaus führen wir die sogenannte Blankoverordnung in die Regelversorgung ein. Auf der Basis einer ärztlichen Verordnung entscheiden hiernach die Heilmittelerbringer selbst über die Behandlungsmethode sowie über die Häufigkeit und Dauer der Behandlung.
Verbot von Hilfsmittelausschreibungen
Darüber hinaus schaffen wir bei Hilfsmitteln wie Rollstühlen, Atemtherapiegeräten und Inkontinenzeinlagen die Ausschreibungen ab. Diese haben sich in der Vergangenheit immer wieder als Ärgernis erwiesen. Außerdem erhalten Versicherte einen Anspruch auf Hilfsmittel, die durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn sie selbst auf Grund seines körperlichen Zustandes beispielsweise bei Blutentnahmen und Injektionen auf die Hilfe Dritter angewiesen sind.
Erhöhung des Festzuschusses bei Zahnersatz
Mit dem TSVG erhöhen wir die Festzuschüsse der gesetzlichen Krankenversicherung bei einem Zahnersatz ab dem 1. Oktober 2020 von 50 auf 60 Prozent. Wer regelmäßig zur Vorsorge geht, erhält noch etwas mehr, bis zu 75 Prozent. In diesem Zusammenhang haben wir auch geregelt, dass die Festzuschüsse künftig auch dann auf bis zu 75 Prozent erhöht werden können, wenn der Versicherte in begründetem Ausnahmefall einmalig eine zahnärztliche Vorsorgeuntersuchung verpasst hat. Bisher hat der Versicherte nur dann Anspruch auf eine solche Erhöhung, wenn diese Untersuchung in den letzten fünf Kalenderjahren vor Beginn der Behandlung ausnahmslos stattgefunden hat.
Anspruch auf Präexpositionsprophylaxe
Versicherte mit einem substantiellen HIV-Infektionsrisiko erhalten mit dem TSVG einen Anspruch auf medikamentöse Präexpositionsprophylaxe (PrEP) zur Verhütung einer Ansteckung mit HIV. Darüber hinaus erhalten sie einen Anspruch auf eine ärztliche Beratung sowie auf Untersuchungen, die bei Anwendung der für die medikamentöse Präexpositionsprophylaxe zugelassenen Arzneimittel erforderlich sind.
Kryokonservierung – Verhinderung des dauerhaften Verlustes der Fruchtbarkeit
Zudem sollen die gesetzlichen Krankenkassen künftig dann die Entnahme, Aufbereitung, das Einfrieren von Ei- und Samenzellen (Krykonservierung) und die Lagerung finanzieren, wenn zu erwarten ist, dass eine Patientin oder ein Patient, zum Beispiel nach einer Krebserkrankung, unfruchtbar sein wird. Damit helfen wir besonders denjenigen jungen Patientinnen und Patienten, die beispielsweise durch eine Nebenwirkung der Behandlung mit Zytostatika oder einer Strahlentherapie dauerhaft ihre Fruchtbarkeit verlieren könnten. Aber auch in den Bereichen der Rheumatologie und Neurologie werden vereinzelt Therapien angewandt, die den dauerhaften Verlust der Fruchtbarkeit zur Folge haben. Hier schaffen wir Abhilfe.
Stärkung der Selbsthilfegruppen
Künftig werden die Selbsthilfegruppen, -organisationen und – kontaktstellen durch die Krankenkassen und ihren Verbänden eine noch höhere Basisfinanzierung erhalten. Bislang waren für die Absicherung der originären und vielfältigen Selbsthilfearbeit sowie regelmäßig wiederkehrende Aufwendungen wie Miete, Büroausstattung, Internetauftritte, Medien, Fortbildungen und Schulungen und Reisekosten mindestens 50 Prozent von aktuell 1,13 Euro pro GKV-Versicherten als Pauschalfördermittel vorgesehen. Der Betrag wird jährlich angepasst. Diesen Prozentsatz für die Pauschalförderung haben wir nun auf 70 Prozent erhöht. Darüber hinaus bleibt die Möglichkeit einer Projektförderung bestehen.
Flächendeckende Einführung der elektronischen Gesundheitskarte
Bereits im Vorgriff auf das noch für dieses Jahr geplante Digitalisierungsgesetz verpflichten wir mit dem TSVG die gesetzlichen Krankenkassen, ihren Versicherten spätestens ab dem Jahr 2021 eine elektronische Patientenakte anzubieten. Auf diese sollen Versicherte dann auch mittels Smartphone oder Tablet zugreifen können. An erster Stelle steht natürlich der Datenschutz – Voraussetzung für den mobilen Zugriff auf die medizinischen Daten beispielsweise durch eine App wird das ausdrückliche Einverständnis des Versicherten sein.
Beschleunigung der Verfahren in der gematik
Mit dem Ziel, die Digitalisierung im Gesundheitswesen, insbesondere die Einführung medizinischer Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte und der Telematikinfrastruktur künftig zügiger und konsequenter umzusetzen, soll der Entscheidungsprozess in der Gesellschaft für Telematik (gematik) effektiver als bisher ausgestaltet werden. Deshalb wird das Bundesgesundheitsministerium durch eine Änderung der Gesellschaftsstruktur der gematik Mehrheitsgesellschafter. Die angestrebte Mehrheitsbeteiligung wird durch die Festlegung der Geschäftsanteile auf 51 Prozent sichergestellt. Hierdurch sollen die Verfahren insgesamt beschleunigt werden. Zudem wird es möglich, all diejenigen Maßnahmen von Seiten der gematik zügiger in die Wege zu leiten, die für eine fristgerechte Zurverfügungstellung von elektronischen Patientenakten durch die Krankenkassen noch erforderlich sind.
Medizinische Versorgungszentren (MVZ)
Wir haben im TSVG geregelt, dass Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nur zur Gründung fachbezogener Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) berechtigt sind. Klargestellt haben wir in diesem Zusammenhang, dass auch dann ein Fachbezug besteht, wenn ärztliche Leistungen zur Versorgung von nephrologischen Patienten erbracht werden, die zur Behandlung von Grund- und Begleiterkrankungen über rein nephrologische Leistungen hinausgehen. Ziel ist es, eine Behandlung des komplexen Versorgungsbedarfs zu ermöglichen. Zudem erweitern wir die Möglichkeit für anerkannte Praxisnetze, Medizinische Versorgungszentren zu gründen. Auch dadurch wird es uns gelingen, die Sicherstellung der Versorgung, insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Gebieten, zu verbessern.
Weitere Regelungen dieses Gesetztes betreffen die Zulassung von zahnärztlichen Medizinischen Versorgungszentren (Z-MVZ) – dabei gilt das oberste Ziel, eine gute Versorgungslage aufrechtzuerhalten, aber rein kapitalgetriebene Interessen einzuschränken. So sehen wir für von Kliniken gegründete Z-MVZ eine Beschränkung der Gründungsbefugnis in Abhängigkeit vom Versorgungsgrad im jeweiligen Planungsbereich vor. Hiernach sollen Kliniken künftig zehn Prozent der vertragszahnärztlichen Versorgung mit MVZ halten können. Fünf Prozent sehen wir bei überversorgten Gebieten vor und 20 Prozent bei Unterversorgung. Ziel dieser Regelung ist es, auch in Zukunft eine Anbietervielfalt in der vertragszahnärztlichen Versorgung sicherzustellen. In Planungsbereichen, in denen der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um bis zu 50 Prozent unterschritten ist und somit eine Unterversorgung vorliegt, umfasst die Gründungsbefugnis des Krankenhauses für zahnärztliche medizinische Versorgungszentren mindestens fünf Vertragszahnarztsitze oder Anstellungen. Mit dieser Regelung stellen wir sicher, dass auch in strukturschwachen ländlichen Planungsbereichen eine zukunftssichere, flächendeckende zahnmedizinische Versorgung sichergestellt wird.