Eckpunkte zur Fachkräftezuwanderung aus Drittstaaten
Die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland hängt in entscheidendem Maße davon ab, wie gut es uns gelingen wird, die Fachkräftebasis zu sichern und zu erweitern. Momentan prosperiert die deutsche Wirtschaft. Auch der Arbeitsmarkt steht hervorragend da: Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung schreibt Rekordzahlen. In manchen Regionen herrscht bereits Vollbeschäftigung. Diese erfreuliche Entwicklung bedeutet aber auch, dass Betriebe und Unternehmen bereits heute Schwierigkeiten haben, für bestimmte Qualifikationen, Regionen und Branchen qualifizierte Fachkräfte auch für die Zukunft zu finden. Insgesamt hat sich der Fachkräftemangel zu einem bedeutenden Risiko für die deutsche Wirtschaft entwickelt. Der zunehmend spürbare demografische Wandel und eine rapide voranschreitende Digitalisierung werden dies künftig noch verstärken. Wenn wir wettbewerbsfähig bleiben und einen starken Wirtschaftsstandort Deutschland erhalten wollen, müssen wir uns gemeinsam mit der Wirtschaft um die Fachkräfte bemühen, die der Arbeitsmarkt braucht: Hochschulabsolventinnen und -absolventen sowie Personen mit qualifizierter Berufsausbildung. Auch die Stabilität unserer sozialen Sicherungssysteme ist eng daran gekoppelt. Vor diesem Hintergrund haben die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung auf der Grundlage des Koalitionsvertrags folgende Punkte zur gezielten und gesteuerten Gewinnung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten beschlossen:
1. Rechtlicher Rahmen: Fachkräfteeinwanderung bedarfsgerecht steuern und stärken
Mit einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz regeln wir klar und verständlich, wer zu Arbeits- und Ausbildungszwecken zu uns kommen darf und wer nicht. Wir setzen am Fachkräftebedarf unserer Wirtschaft an und werden die bestehenden Regelungen gezielt öffnen sowie klarer und transparenter gestalten. Den Fokus legen wir auf den Bedarf an Fachkräften mit qualifizierter Berufsausbildung. Wichtig bleibt, dass wir grundsätzlich an der Gleichwertigkeitsprüfung der Qualifikationen festhalten, um sicherzustellen, dass sich die Fachkräfte langfristig in den Arbeitsmarkt integrieren. Auch die Prüfung der Arbeitsbedingungen durch die Bundesagentur für Arbeit bleibt bestehen. Eine Zuwanderung in die Sozialsysteme werden wir verhindern.
• Wenn ein Arbeitsplatz und eine anerkannte Qualifikation vorliegen, sollen Hochschulabsolventinnen und -absolventen sowie Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung in allen Berufen, zu denen die erworbene Qualifikation befähigt, in Deutschland arbeiten können. Damit fällt die Beschränkung auf Engpassberufe weg. Wir verzichten im Grundsatz auf die Vorrangprüfung. Zum Schutz unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird es die Möglichkeit geben, die Vorrangprüfung in Arbeitsmarktregionen mit überdurchschnittlich hoher Arbeitslosigkeit beizubehalten bzw. kurzfristig wiedereinzuführen.
• Für Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung, die aus dem Ausland einreisen, werden wir die Möglichkeit (ohne Rechtsanspruch) des befristeten Aufenthalts zur Suche eines Arbeitsplatzes in allen Berufen, zu denen die erworbene Qualifikation befähigt, analog zur Regelung für Hochschulabsolventinnen und -absolventen (6 Monate) vorsehen. Voraussetzung ist insbesondere, dass eine anerkannte Qualifikation und der angestrebten Tätigkeit entsprechende deutsche Sprachkenntnisse vorliegen. Aus konjunkturellen Gründen können durch Verordnung der Bundesregierung bestimmte Berufsgruppen ausgeschlossen werden. Eine Zuwanderung in die Sozialsysteme lehnen wir ab. Dazu halten wir am Erfordernis des Nachweises der Lebensunterhaltssicherung vor Einreise fest. Die Regelung wird auf fünf Jahre befristet.
• Die bereits bestehende Möglichkeit, auf der Basis ausländischer Qualifikationen in Deutschland Qualifizierungsmaßnahmen zum Erlangen eines in Deutschland anerkannten Abschlusses durchzuführen (§ 17a AufenthG), soll stärker genutzt werden. Wir werden daher prüfen, wie wir diese Möglichkeit rechtlich und tatsächlich attraktiver gestalten können.
• Um der wachsenden Zahl offener Ausbildungsplätze zu begegnen, wollen wir Möglichkeiten des Zugangs zur Berufsausbildung verbessern. Dabei werden wir Rahmenbedingungen prüfen, wie wir Möglichkeiten zur Suche eines Ausbildungsplatzes schaffen können und welche Bewerber dafür geeignet sein könnten.
• Für mehr Transparenz werden wir die Vorschriften zur Fachkräfteeinwanderung neu strukturieren, vereinheitlichen und vereinfachen. Hiermit wollen wir den Fachkräften im Ausland ein klares und verlässliches Signal über ihre Chancen und Perspektiven in Deutschland geben. Zudem wollen wir weitere strukturelle Vereinfachungen des Aufenthaltsrechts sowie Anpassungen bei Definitionen, Verfahren und Zuständigkeiten vornehmen.
2. Qualität der Berufsausübung sichern: Schnelle und einfache Anerkennungsverfahren
Wir brauchen gut ausgebildete Fachkräfte: Die Anerkennung mitgebrachter beruflicher Qualifikationen ist ein Schlüssel zur erfolgreichen Arbeitsmarktintegration. Sie sichert die Perspektive auf dem Arbeitsmarkt und trägt zur Sicherstellung der Qualität der Berufsausübung in Deutschland bei. Um Deutschland für internationale Fachkräfte attraktiver zu machen, wollen wir die Voraussetzungen schaffen, dass die Gleichwertigkeitsprüfung der beruflichen bzw. akademischen Qualifikationen möglichst schnell und unkompliziert durchgeführt wird.
• In Zusammenarbeit mit den Ländern wollen wir das Anerkennungssystem für Berufsabschlüsse fortentwickeln, durch Bündelung und Zentralisierung effizienter gestalten und unter Wahrung der Qualitätsstandards vereinfachen. Wir streben die Einrichtung einer Clearingstelle Anerkennung an, die Fachkräfte aus dem Ausland durch das Anerkennungsverfahren begleitet und dieses unterstützt.
• Wir werden die Informationsangebote für potenzielle Fachkräfte weiter verbessern.
• Die Beratungsangebote für Interessenten im Ausland werden wir ausweiten, sowohl vor Ort als auch durch Entwicklung einer zentralen Beratungsstruktur. Darüber hinaus werden wir das regionale Beratungsangebot für Fachkräfte aus dem Ausland im Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ weiter ausbauen.
• Den Anerkennungszuschuss werden wir ausweiten.
• Den von unserer Wirtschaft dringend benötigten Bedarf an IT-Fachkräften sowie in weiteren ausgewählten Engpassberufen wollen wir bei ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen auch ohne formalen Abschluss einen Arbeitsmarktzugang ermöglichen, wenn sie einen Arbeitsplatz haben.
3. Gezielte Gewinnung von Fachkräften: Strategie für eine gezielte Fachkräftegewinnung und ein verbessertes Marketing gemeinsam mit der Wirtschaft
Wir wollen Fachkräfte und angehende Fachkräfte gezielt für Deutschland gewinnen. Hierfür werden wir mit einer gemeinsamen Strategie der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft an die zahlreichen bereits bestehenden guten und erfolgreichen Initiativen anknüpfen.
• Wir werden in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft wie auch den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen eine bedarfsorientierte und gezielte Werbestrategie zur Gewinnung von Fachkräften mit Blick auf ausgewählte Zielländer erarbeiten. Neben einem gezielten Marketing sowie Vermittlungs- und Matchingaktivitäten soll diese auch die Etablierung von Ausbildungsangeboten im Ausland beinhalten. Dabei wollen wir auch Unternehmen in ausgewählten Zielländern unterstützen, zusätzlich für den deutschen Arbeitsmarkt auszubilden. Bei unseren Maßnahmen vor Ort werden wir kohärent handeln. Dabei sind wir uns als Bundesregierung der internationalen Prinzipien für eine ethisch verantwortbare Gewinnung von Fachkräften bewusst und werden diese bei unseren Maßnahmen berücksichtigen und positive Effekte (z.B. Kapazitätsaufbau, Stärkung lokaler wirtschaftlicher Entwicklung) fördern.
• Das offizielle Informationsportal www.make-it-in-germany.com wollen wir zu einem Dachportal der Bundesregierung für Fachkräfte aus dem Ausland ausbauen. Das gemeinsam von BMWi und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag geleitete Netzwerk „Ausländische Fachkräftepotenziale erschließen und Willkommenskultur schaffen“ wird dazu genutzt, geplante Maßnahmen zur gezielten Gewinnung von Fachkräften am Bedarf der Wirtschaft zu orientieren.
4. Deutsche Sprachkenntnisse wichtig: Verstärkte Sprachförderung im In- und Ausland
Die Kenntnis der deutschen Sprache ist sehr wichtig, um auf dem deutschen Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu bestehen. Abgestimmt auf die Zielländer der Werbestrategie werden wir daher unsere Sprachförderung im In- und Ausland intensivieren.
Hierzu wollen wir
• die Sprachkurse durch das Goethe-Institut stärker fördern und die berufsbezogene Deutschsprachförderung weiterentwickeln,
• die Kooperation der Wirtschaft insbesondere Deutscher Industrie- und Handelskammertag/Deutsche Auslandshandelskammern, Bundesverband der Deutschen Industrie, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Zentralverband des deutschen Handwerks aber auch Regionalvereine wie Nah- und Mittelostverein oder Einzelunternehmen) mit Auslandsvertretungen ausbauen mit dem Ziel der Förderung von Deutsch als Fremdsprache, z.B. in Form von Praktika, Vorträgen oder Career Days (insbesondere in Kooperation mit den Schulen der Partnerschulinitiative (PASCH)),
• Testformate für berufsbezogene Sprachkenntnisse des Goethe-Instituts und der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen vermehrt nutzen,
• den Erwerb von Sprach- und Studierfähigkeit im Paket vermehrt anbieten und fördern (beispielsweise durch die schon vorhandene „Studienbrücke“ des Goethe-Instituts),
• die Möglichkeit eines Ausbaus von Studienkollegs insbesondere im Ausland prüfen (Erwerb von Sprachqualifikationen und Hochschulzugangsvoraussetzungen) und die Möglichkeit schaffen, Studienkollegs im Ausland zu absolvieren (einschließlich Feststellungsprüfung),
• berufsbildende Kooperationen mit Schulen im Ausland und Ausbildungspartnerschaften ausbauen, um dazu beizutragen, den Bedarf an Fachkräften mit qualifizierter Berufsausbildung (z.B. in den Bereichen Technik, IT, Gesundheit und Pflege) zu decken und
• Angebote von Berufsbildungsprogrammen mit integrierter Sprachausbildung, insbesondere im Pflegebereich, schaffen, die schwerpunktmäßig im Ausland angeboten und durch die Branche selbst finanziert werden.
5. Verwaltungsverfahren im In- und Ausland effizienter und transparenter gestalten
Die Anregungen aus der Praxis zu Verbesserungen bei Kommunikation, Verfahrensdauer und der Erreichbarkeit unserer Behörden greifen wir auf. Wir werden die Verfahren zwischen Visastellen, Ausländerbehörden, der Arbeitsverwaltung, zuständigen Stellen für die Anerkennung beruflicher Qualifikationen sowie dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge überprüfen und auf dieser Basis effizienter, transparenter und zukunftsorientiert gestalten.
• Wir werden Möglichkeiten für e-Government-Lösungen nutzen und ausbauen und wollen ein wettbewerbsfähiges Online-Angebot zur Information und Beratung sowie perspektivisch auch zur Antragstellung und Kommunikation zwischen den Beteiligten einrichten; insbesondere wollen wir das Visumverfahren digitalisieren.
• Möglichkeiten zur Bündelung von Kompetenzen werden wir prüfen.
• Wir wollen, dass die Auslandsvertretungen in den Verfahren zur Fachkräfteeinwanderung bestmöglich durch die Inlandsbehörden unterstützt werden, um das Verfahren zu beschleunigen.
• Die Verwaltungsverfahren im Bund werden mit den notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen unterlegt.
Diese Eckpunkte bilden die Basis des in den kommenden Wochen auszuarbeitenden Gesetzentwurfes, der dann im Deutschen Bundestag beraten werden wird.