Markus Koob MdB

Meine Rede zu 80 Jahre Überfall der Wehrmacht auf Griechenland

Der Deutsche Bundestag hat anlässlich des 80. Jahrestages des Überfalls der Wehrmacht auf Griechenland Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und die Linke beraten. Darin befürworten sie deutsche Reparationszahlungen an Griechenland. Meine Erwiderung ihrer Anträge können Sie im Folgenden nachlesen oder anschauen.

 

 

Sehr geehrte Frau Botschafterin! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Naziregime hat in den Jahren 1933 bis 1945 unfassbare und nicht wiedergutzumachende Schuld auf sich geladen. Deutschland hat Europa und die Welt in einen Krieg gezwungen, der Millionen von Männern, Frauen und Kindern das Kostbarste nahm: ihren Besitz, ihre Familie, ihr Leben.

Auch in Griechenland wüteten die Nationalsozialisten. Zunächst bombardierten sie Griechenland, dann besetzten sie Griechenland, dann massakrierten und terrorisierten sie die Bevölkerung Griechenlands. Von 1941 bis 1944 zerstörte die deutsche Wehrmacht 1.700 griechische Dörfer. Beispielhaft für so viele andere Distomo. Am 10. Juni 1944 brachten SS-Männer 218 unbeteiligte Personen um und brannten das 1.800 Einwohner große Dorf Distomo nieder. In Chortiatis, Kesariani, auf Kreta und in vielen anderen Orten geschahen in diesen Jahren ähnlich unentschuldbare Gräueltaten an Griechinnen und Griechen. Holocaust, Partisanenkrieg, Besatzung, Hungerkatastrophe, Bürgerkrieg: Zusammen forderten sie Hunderttausende Menschenleben.

Das Deutschland von 1941 ist aber nicht das Deutschland nach 1945 oder gar das nach 1990. Heute ist es ein friedliebendes Land im Herzen eines vereinten Europas. Als Mitglied des Deutschen Bundestages und Legislativvertreter in diesem heutigen Deutschland bitte ich alle Opfer des NS-Regimes in Griechenland um meine tiefempfundene Entschuldigung. Ihnen wurde unermessliches Leid von so vielen unserer Vorfahren zugefügt. Dies macht mich auch 75 Jahre nach Kriegsende tief betroffen und traurig.

Die Anerkennung von Schuld ist unbestreitbar. Über die Anerkennung von Reparationsforderungen diskutieren wir heute. Es gibt Gründe - gute Gründe -, weshalb wir in Deutschland der Auffassung sind, dass, anders als die ewig währende deutsche Schuld an diesen Kriegsverbrechen, die Reparationen abgegolten sind. Das Londoner Schuldenabkommen von 1953, dem Griechenland zustimmte, besagt zwar in Artikel 5 Absatz 2 Folgendes - ich zitiere -:

„Eine Prüfung der aus dem Zweiten Weltkriege herrührenden Forderungen von Staaten, die sich mit Deutschland im Kriegszustand befanden oder deren Gebiet von Deutschland besetzt war, und von Staatsangehörigen dieser Staaten gegen das Reich und im Auftrag des Reichs handelnde Stellen oder Personen einschließlich der Kosten der deutschen Besatzung, der während der Besetzung auf Verrechnungskonten erworbenen Guthaben sowie der Forderungen gegen die Reichskreditkassen, wird bis zu der endgültigen Regelung der Reparationsfrage zurückgestellt.“

Jedoch entschied der Internationale Gerichtshof in der Vergangenheit, dass berechtigte Ansprüche schon nach 20 Jahren verwirkt sein können. Selbst das Abkommen zwischen Deutschland und Griechenland, in dem Griechenland weitere Reparationsforderungen ausdrücklich offengelassen hat, ist nun gut 60 Jahre alt. Schließlich regelt der Zwei-plus-Vier-Vertrag, den auch Griechenland ohne Einwände zur Kenntnis nahm, dieses Thema in unseren Augen abschließend.

Aber - und jetzt kommt das Aber - ich verstehe, dass es vonseiten Griechenlands den Wunsch nach Wiedergutmachung gibt. Wie in sehr vielen Rechtsfragen kann man auch in dieser Frage zu einer anderen Beurteilung kommen. Auch wenn ich den Antrag der Grünen als solchen inhaltlich nicht vollumfänglich unterstützen kann, trifft er die richtige Tonlage und mit dem Wunsch nach der Begegnung auf Augenhöhe auch das richtige Bild. Deshalb sollten wir bei aller Unterschiedlichkeit in den inhaltlichen Positionen in diesem Hause in einer Frage gemeinsam Haltung zeigen: Jenseits einer legitimen Diskussion über rechtliche Fragen müssen wir einer gezielten politischen Instrumentalisierung und Aufstachelung durch Nationalisten in dieser Frage gemeinsam entgegentreten. Einer Aufarbeitung seiner Verantwortung - das ist mir besonders wichtig - verweigert sich Deutschland nicht.

Der von Deutschland initiierte Deutsch-Griechische Zukunftsfonds fördert zahlreiche und verschiedenste Projekte, die die gemeinsame deutsche und griechische Geschichte aufarbeiten, ein gemeinsames Bewusstsein schaffen und Versöhnung anstreben.

Die 2010 gegründete Deutsch-Griechische Versammlung als Netzwerk griechischer und deutscher Kommunen, Regionen, Zivilgesellschaft und Wirtschaft ist ein Beispiel für das Zusammenführen von Griechen und Deutschen, die gemeinsam an einer positiven und friedvollen Zukunft arbeiten.

Das Deutsch-Griechische Jugendwerk ist zudem eines von nur drei Jugendwerken in Deutschland. Das zeigt den besonderen Stellenwert, den Griechenland und die griechische Jugend für unser Deutschland einnimmt.

2016 riefen zudem die Außenminister Griechenlands und Deutschlands den Deutsch-Griechischen Aktionsplan für die bilaterale Zusammenarbeit ins Leben, der das Ziel hat, die gemeinsame Zusammenarbeit auf den Gebieten von Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Kultur und Bildung zu intensivieren. Das zeigt: Auch politisch stehen wir eng an der Seite unseres EU-Freundes und NATO-Verbündeten Griechenland.

Schließlich - das mag man für banal halten; es ist aber in meinen Augen ein hervorragender Ausdruck eines intakten und engen bilateralen Verhältnisses - fühlen sich jedes Jahr Millionen deutsche Bürgerinnen und Bürger in Griechenland bei Freunden zu Hause. Über 10.000 von ihnen leben sogar dauerhaft in Griechenland. Umgekehrt fanden knapp 500.000 griechischstämmige Personen in Deutschland eine weitere Heimat.

Wir als Deutscher Bundestag sollten deshalb alles unternehmen, um den kulturellen und gesellschaftlichen Austausch weiter zu fördern, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu stärken und, ja, auch gemeinsam über die Vergangenheit zu reden und hier die tatsächliche Aussöhnung weiterhin voranzutreiben. Da sind wir an Ihrer Seite.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.