Aktuelle Stunde zur Lage in Myanmar
Der Militärputsch in Myanmar als Reaktion auf das nicht genehme Wahlergebnis bewegt derzeit die internationale Gemeinschaft und mit ihr selbstverständlich auch den Deutschen Bundestag. In einer Aktuellen Stunde debattierten wir über die schwierige Lage in Myanmar und unsere klaren Erwartungen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser Rede bräuchte man eigentlich etwas deutlich Härteres als Wasser zum Einstieg in die Rede, aber da das nicht zur Verfügung steht, kommen wir vielleicht einmal wieder zum Thema zurück und reden hier nicht über linke Fantasien, sondern über die Lage in Myanmar.
Die Bilder, die wir aus Myanmar in den letzten Tagen erleben und sehen, sind zutiefst dramatisch, und sie eskalieren immer weiter. Die Anzahl der Toten steigt, und das Militär geht mit immer größerer und unbarmherzigerer Härte gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten vor.
Wir haben hier im Bundestag schon öfter zu Myanmar gesprochen, zu kritischen Dingen - das ist auch vorhin schon angesprochen worden -, zur Lage der Rohingyas in Myanmar, woran wir zu Recht sehr stark Kritik geübt haben. Aber nichtsdestotrotz, so muss man sagen, haben wir in Myanmar in den letzten Jahren eine hoffnungsvolle Demokratisierung erlebt. Diese hoffnungsvolle Demokratisierung hat im Februar ein Ende gefunden. Der Militärputsch, den wir jetzt sehen, verursacht bei uns ein trauriges Déjà-vu; denn in Myanmar gab es nicht zum ersten Mal einen Militärputsch, sondern bereits dreimal vorher - 1962, 1988, 1990 - und jetzt eben auch 2021, und das, obwohl Aung San Suu Kyi im Jahr 2016 die Macht mit dem Militär teilte. Es war ein durchaus gewagter, ein interessanter Ansatz, ein kühnes Experiment, eine ethnisch, religiös und geschichtlich so diversifizierte Gesellschaft wie Myanmar in Südostasien zu regieren.
Dieses Experiment ist nun leider gescheitert. Das Militär war nicht bereit, die Wahlergebnisse zu akzeptieren, die aus diesen freien und fairen Wahlen hervorgegangen sind. Dieses hybride demokratische Regierungssystem, das wir erlebt haben, wurde zum Unwillen der Bevölkerung geopfert, um den Machterhalt der Militärs weiter zu sichern. Die Argumentation des Militärs, diese Wahlkommission habe versagt, es habe Betrug bei den Wählerlisten gegeben und diese würden den Weg zur Demokratie behindern, ist auch in sich nicht stichhaltig. Schon gar nicht plausibel ist, weshalb Wahlbetrug zu einem Notstand und zum Übertrag aller exekutiven, legislativen und judikativen Befugnisse aller Ebenen auf den Oberbefehlshaber führen sollte. Das ist grotesk, denn erstens müssten gemäß der Verfassung aus dem Jahr 2008 Wahlangelegenheiten von den zuständigen Behörden behandelt und gelöst werden, und zweitens ermächtigt Artikel 417 der Verfassung nur den Präsidenten, in Absprache mit dem Nationalen Verteidigungs- und Sicherheitsrat den Notstand auszurufen. Dieser Rat hat nicht getagt.
Aus deutscher Perspektive steht daher für meine Fraktion und mich fest: Wir unterstützen die in Myanmar friedlich demonstrierenden Bürgerinnen und Bürger, die für die Rettung ihrer Demokratie und die Berücksichtigung ihres Wählerwillens auf die Straße gehen.
Wir fordern den Rückzug des Militärs, die Freilassung der politischen Gefangenen und eine Wiedereinsetzung rechtsstaatlicher und demokratischer Strukturen sowie die Anerkennung des Wahlergebnisses. Wir begrüßen die EU-Sanktionen, sind aber auch für eine Ausweitung offen, sollte das Militär nicht einlenken. Eine irgendwie geartete deutsche Zusammenarbeit mit dem Militärregime wird es in Zukunft nicht geben.
Ich danke auch an dieser Stelle Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble für seinen offenen Brief an den bisherigen und unter Hausarrest stehenden Sprecher der Volkskammerversammlung. Die dort gefundenen Worte sind klar in der Verurteilung und in der Solidarität, und ich kann mich diesem Appell uneingeschränkt anschließen.
Aber es ist auch unsere Aufgabe als Parlament und auch im Auswärtigen Ausschuss, über die eigentlichen Grenzen Myanmars hinaus die Rolle Chinas in diesem Konflikt in den Blick zu nehmen. Der Oberbefehlshaber der Militärs in Myanmar und Chinas Außenminister Wang Yi kamen noch drei Wochen vor dem Putsch für intensive Gespräche zusammen. Es gilt zu vermuten, dass Chinas bedrohliche Arme länger werden. Nach Nordkorea und Hongkong erreichen sie auch mit Hilfe der Abhängigkeitsstrukturen der Belt and Road Initiative mittlerweile einige Staaten Südostasiens. Dass sie auch Myanmar erreichen, ist daher wahrscheinlich. Ob es aus China eine Anweisung zu dem Putsch gab oder auch nur ein Einverständnis, kann China ganz einfach aufklären, indem es den Putsch verurteilt und dazu aufruft, das demokratisch gewählte Parlament umgehend wiedereinzusetzen und zur rechtlichen Ordnung zurückzukehren. Ein solches Signal bleibt Peking bislang aber schuldig.
Das Vorgehen in Myanmar und auch die Anzeichen für Chinas Rolle in diesem Konflikt zeigen einmal mehr, wie wichtig es war, dass die Bundesregierung im vergangenen Jahr ihre Indopazifik-Leitlinien vorgelegt hat; denn auch wir haben ein Interesse an einem stabilen und vor allem friedlichen Indopazifik. Es ist grundsätzlich wichtig und richtig, unsere räumliche Distanz zu unseren Freunden aus der Region zu verringern, sie wertzuschätzen, ihnen beizustehen und sie eben nicht mit der wirtschaftlichen Übermacht Chinas alleine zu lassen. Auch deshalb müssen wir endlich dafür sorgen, dass wir auch auf EU-Ebene zu einer einheitlichen und verbindlichen Indopazifik-Strategie gelangen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.