Vereinbarte Debatte zur Afrikapolitik
Als Berichterstatter meiner Fraktion im Auswärtigen Ausschuss für weite Teile des afrikanischen Kontinents habe ich gestern einen Redebeitrag zur vereinbarten Debatte über die deutsche Afrikapolitik im globalen Kontext beigetragen. Lesen oder Schauen Sie gern im Folgenden die Rede.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Letzter Redner in einer Debatte zu sein, die schon eine Stunde ging, ist nicht immer sehr dankbar. Deshalb kann ich mein Skript eigentlich weitestgehend zur Seite legen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, diese Debatte einmal Revue passieren zu lassen.
Ich frage mich: War das eine Sternstunde des Parlaments?
Ich muss ehrlich sagen: in weiten Teilen nicht. - So etwas überrascht mich immer. Um eine Sternstunde des Parlaments haben zu können, würde man bestimmte Teile sowieso am besten auf „lautlos“ schalten. Ich muss der rechten Seite einfach sagen: Dass man so empathielose Reden halten kann - ich weiß nicht, ob Sie jemals vor Ort gewesen sind -, ist unglaublich. Es tut mir leid; aber das ist der Aufgabe und der Größe der Herausforderung, mit der wir es zu tun haben, einfach nicht angemessen.
Von der Linken hätte ich mir gewünscht, dass sie nicht wieder in diese Stereotype von dem bösen Neoliberalismus und den bösen Militärs verfällt, die dort unten sind und Sicherheit garantieren, dass sie nicht nur über Waffen redet. Ich wiederhole das hier zum, ich weiß gar nicht, wievielten Male: Wenn Sie dort unten mit Entwicklungshelfern reden, sagen sie: Ohne Militär, ohne Sicherheit gibt es keine Entwicklungshilfe.
Vielleicht können wir in der Redezeit, die wir hier haben, die Teile, die wir immer vorbringen, einfach mal weglassen und uns mal mit neuen Aspekten beschäftigen.
Ich muss sagen: Ich habe hier als Außenpolitiker auch sehr oft zu den Problemen gesprochen, und es geht mir nicht darum, dass wir vor den mannigfaltigen Problemen, die es gibt, die Augen verschließen.
Ich muss aber auch sagen: Als Außenpolitiker kommt man viel rum. - Ich hatte vor zwei Jahren die Gelegenheit, Sie, Herr Maas, in Sierra Leone, Burkina Faso und Mali zu begleiten. Ich kann mich - das muss ich ehrlich sagen - nicht nach jeder Auslandsreise an Gespräche mit den Menschen vor Ort erinnern. Aber das Gespräch mit der Bürgermeisterin, die wir in Freetown, in Sierra Leone, getroffen haben, ist etwas, was bis heute bei mir Gänsehaut verursacht. Wir haben dort jemanden getroffen, der in Europa einen fantastisch dotierten Job in der freien Wirtschaft hatte, in das eigene Land zurückgekommen ist und angesichts der ganzen Problemen, die es gibt, nicht den Kopf in den Sand gesteckt hat, sondern die Dinge mit einer Lebensfreude, mit einer Power, die einen - das muss ich wirklich sagen - zwei Jahre später immer noch umhaut, angegangen ist.
Deshalb ist meine Frage: Wie beschäftigen wir uns eigentlich jenseits der Probleme mit Afrika? Wie gesagt: Ich will gar nicht die Augen vor den Problemen verschließen. Aber vielleicht sollten wir - und da bin ich dir, Jürgen, sehr dankbar für deine Anregung, dass wir das vielleicht auch mal interparlamentarisch angehen sollten - einfach sehr viel häufiger mit den Menschen vor Ort reden: Was sind eigentlich deren Erwartungen, was sind deren Wünsche, was sind deren Bedürfnisse? Da werden viele der Punkte, die heute genannt worden sind, auch fallen - da bin ich mir sicher -; aber ich habe trotzdem den Eindruck, dass wir viel zu oft über die Menschen in Afrika reden und viel zu selten mit ihnen.
Deshalb möchte ich einfach dafür werben, dass wir die nächste Debatte, in der wir über Afrika reden, wirklich zu einer Sternstunde des Parlaments werden lassen, indem wir uns ein bisschen mehr auf diesen Teil konzentrieren.
Zur Wahrheit gehört auch - und deshalb habe ich das in Richtung der Linken gesagt -: Wenn ich mit Botschaftern aus Afrika rede, sagt eigentlich jeder von ihnen, dass er sich mehr Investitionen von deutschen, von europäischen Unternehmen wünscht. Wie sie dann vor Ort gestaltet werden, wie sie fair gestaltet werden, darüber kann man ja reden. Aber es stimmt doch einfach nicht, dass europäische Unternehmen ein Teil des Problems sind. Vielmehr sind sie ein Teil der Lösung.
Deshalb bin ich meiner Fraktion sehr dankbar, dass wir vor einiger Zeit eine Projektgruppe gegründet haben, die sich speziell mit diesen Fragen auseinandersetzt - also mal nicht mit den Fragen von Hunger, Katastrophen, Krieg und Elend - und gezielt die Chancen in den Blickpunkt rückt, von denen es auf diesem Kontinent mindestens genauso viele gibt wie Herausforderungen. Dort führen wir tolle Gespräche. Es sind sehr gute Gespräche mit Unternehmern, die vor Ort, in den Ländern, auch schon investiert haben. Man lernt auch immer wieder viel dazu. Ich war bei unserem Besuch in Burkina Faso überrascht, als dort in einem Nebensatz gesagt worden ist, dass dort schon länger Blockchain-Technologie eingesetzt wird. Ich weiß nicht, ob das bei uns schon irgendwo der Fall ist - ich glaube nicht.
Das sind einfach Dinge, bei denen wir als Parlament gut beraten wären, wenn wir ein bisschen mehr auf die Chancen dieses Kontinents schauen würden, ohne dabei die Probleme aus dem Hinterkopf zu verlieren, wenn wir mit Empathie, vielleicht auch mit ein wenig von dem Herzblut und der Leidenschaft der Bürgermeisterin aus Freetown an die Herausforderungen herangehen würden. Ich glaube, dann kann es auch gemeinsam gelingen, dass wir diese Herausforderung zusammen bewältigen und Afrika dabei helfen können, ein Chancenkontinent zu werden, der seine Möglichkeiten auch nutzen kann.
Vielen Dank.