Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte
Anlässlich von Beratungen von Oppositionsanträgen habe ich am Donnerstag dieser Woche im Plenum des Deutschen Bundestages Stellung zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte genommen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es ist wahr, es hat viele Jahre gedauert, bis Deutschland sich nach der Aufarbeitung der jüngsten Geschichte um SED- und Nazi-Diktatur nun verstärkt auch seiner Kolonialgeschichte zugewendet hat. Aber Deutschland steht zu seiner Geschichte und trägt selbstverständlich die historische Verantwortung für Unrecht in seinen ehemaligen Kolonien. Diese auch im deutschen Namen begangenen Kolonialverbrechen wurden von uns allzu lange verdrängt und sowohl gesellschaftlich als auch politisch nicht aufgearbeitet.
Mittlerweile gehört der Wille zur Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte aber zum demokratischen Grundkonsens in Deutschland - mit Ausnahme der im wahrsten Sinne des Wortes rechten Seite dieses Hauses. Auch deshalb hat die Große Koalition durch die Staatsministerinnen Grütters und Müntefering in dieser Wahlperiode mehrfach betont, dass die Aufarbeitung des Kolonialismus Deutschlands einen hohen Stellenwert besitzt. Schon im Koalitionsvertrag wurde festgehalten, dass die Koalition die kulturelle Zusammenarbeit mit Afrika verstärken und einen eigenen Kulturaustausch befördern möchte. Dazu gehören insbesondere die Aufarbeitung des Kolonialismus sowie der Aufbau von Museen und Kultureinrichtungen in Afrika.
Wie aber die gründliche Aufarbeitung anderen Unrechts, das von Deutschland in Europa begangen wurde, ist auch die Aufarbeitung kolonialen Unrechts keine Sache von Tagen und Wochen, sondern von Jahren und von Jahrzehnten. Die wissenschaftliche Aufarbeitung ist überaus komplex. Die Fragen zum Umgang mit Kulturgütern sind nicht so einfach zu beantworten, wie sich das viele vorstellen. Es beginnt schon damit, dass nahezu in jedem Fall ein komplexes Geflecht aus Stammesnachfahren, heutigen staatlichen Repräsentanten, Privatpersonen oder weiteren Ansprechpartnern vorhanden ist, sodass oft noch nicht einmal klar ist, an wen das Kulturgut überhaupt zurückgegeben werden könnte. Da haben wir noch nicht einmal von der Klärung der Umstände gesprochen, wie das jeweilige Kulturgut vor 130 Jahren eigentlich nach Deutschland gekommen ist. Bei diesem auch für die internationalen Beziehungen diffizilen, hochbrisanten Thema verbieten sich daher schnelle und pauschale Lösungen, da es um mehr geht als lediglich um ein materiell wertvolles Kulturgut: Es geht um die eigene Identität, um Wunden und Respekt.
Zweifellos muss Deutschland bei der Aufarbeitung weiterhin aktiv bleiben. So muss die Provenienzforschung weiter verstärkt werden; denn wir brauchen Klarheit über die unterschiedlichen Herkunftsgeschichten der Exponate, bevor wir sachgerechte Entscheidungen zum weiteren Umgang mit ihnen treffen können. Schon heute fördert zum Beispiel das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste entsprechende Forschungsprojekte zur Aufarbeitung mit 1,9 Millionen Euro. Auch die betroffenen Museen tun schon viel für die Aufarbeitung. So hat der Deutsche Museumsbund einen Leitfaden zum Umgang mit Sammlungskunst aus kolonialen Kontexten vorgelegt. Auch die vom Auswärtigen Amt geförderte Museumszusammenarbeit zwischen deutschen und vorwiegend afrikanischen Ländern soll einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Versöhnung leisten. Deutschland ist also auf einem guten Weg.
Bei den vorliegenden Anträgen von AfD und Bündnis 90/Die Grünen zu dieser Frage, die wir heute hier beraten, könnten die Zielrichtungen nicht unterschiedlicher sein. Die AfD faselt von einer differenzierten Betrachtung, die ich aber, wenn es konkret wird, beim besten Willen nicht erkennen kann.
Stattdessen sprechen Sie von einer - ich zitiere -
Instrumentalisierung musealen Sammlungsgutes zur Erreichung außenpolitischer Ziele, die mit einer ausufernden Schuldrhetorik im Hinblick auf die Kolonialzeit insgesamt orchestriert wird ...
Das ist genauso widerlich wie all das, was Sie auch sonst zu unserer Geschichte verbreiten, weshalb ich gar nicht mehr von meiner Rede- und Lebenszeit für Ihren Antrag verschwenden möchte.
Zum Ende meiner Rede möchte ich daher noch auf die von den Grünen angesprochene Gedenkstätte zu sprechen kommen. Natürlich kann man über eine Gedenkstätte grundsätzlich reden. Meines Erachtens ist eine solche Gedenkstätte aber nicht der Beginn der Aufarbeitung, sondern der Endpunkt einer Aufarbeitung oder zumindest ein Zwischenpunkt. So war es beim Denkmal für die ermordeten Juden Europas oder dem Freiheits- und Einheitsdenkmal. Ein Mahnmal ohne vorherige wissenschaftliche und vor allem gesellschaftliche Aufarbeitung ist ohne jede Funktion, wertlos für die Bevölkerung und ist deshalb in meinen Augen nicht zielführend. Liebe Grüne, Ihr Antrag greift ein sehr wichtiges Thema auf, aber Sie gehen meines Erachtens - zumindest zum jetzigen Zeitpunkt - über das Ziel hinaus.
Der Bund und die Länder sind bereits mit der Umsetzung der notwendigen Aufarbeitung beschäftigt. Dabei unterstützen wir sie als Deutscher Bundestag sehr gerne. Ich hoffe, dass wir hier auch in den nächsten Monaten und Jahren zu guten Ergebnissen kommen werden. Bei Gesprächen gerade auch mit Kolleginnen und Kollegen aus Namibia, die ich in den letzten Jahren geführt habe, hat mich durch die Art und Weise, mit der sie mit dieser Geschichte umgehen, jedes Mal wirklich tiefe Demut erfasst. Ich bin da wirklich sehr guter Dinge, dass wir auch hier eine gemeinsame Lösung finden können.
Vielleicht ist bei dem Thema, wie man hier eine gemeinsame Völkerverständigung erreichen kann, die Frage der Kulturgüter auch nicht allein entscheidend, sondern sind es auch solche Dinge wie zum Beispiel die Entsendung von Parlamentariergruppen, was von Namibia das ganz konkret eingefordert wird. Damit könnten wir auch als Deutscher Bundestag vielleicht einen eigenen Beitrag leisten, uns dieser Geschichte und der Verantwortung zu stellen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.