Meine Rede zu einem Antrag der Linken zu Staatsleistungen an die Kirchen
Markus Koob (CDU/CSU):
„Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute beschäftigten wir uns mit den Staatsleistungen an Kirchen, ein Baustein in den allgemeinen Finanzbeziehungen zwischen Staat und Kirche. Per Definition sind Staatsleistungen finanzielle Zuwendungen des Staates an die Kirchen, die die historische weitreichende Enteignung von kirchlichem Eigentum entschädigen sollen. Diese Leistungen sind also keine Subventionen, sondern Ersatz dafür, dass der Staat sich mehrfach in der Geschichte Kircheneigentum angeeignet hat.
Entschädigungszahlungen für diese damaligen massiven Enteignungen werden noch heute an die beiden großen Amtskirchen in fast allen Bundesländern ‑ mit Ausnahme von Hamburg und Bremen ‑ erbracht. Im Jahr 2015 belief sich die gesamte Staatsleistung der 14 Bundesländer an die Kirchen auf 510 Millionen Euro. Das besondere Merkmal von Staatsleistungen ist: Es sind wiederkehrende Zahlungsverpflichtungen und keine Ratentilgung ‑ das ist schon mehrfach erwähnt worden ‑ mit einem festgelegten oder einem einseitig bestimmbaren Ende. Eine Ablösung müsste vielmehr eine volle Leistungsäquivalenz und nicht nur eine angemessene Entschädigung mit sich bringen.
Mir drängt sich dabei, ähnlich wie der Kollegin Horb, der Verdacht auf, dass es der Linken gar nicht in erster Linie darum geht, sondern vielmehr darum, die Zahlung der Staatsleistungen so schnell wie möglich zu beenden. Sie haben auch in einem Nebensatz erwähnt, man könnte das auch im Wahlkampf zum Thema machen. Das fand ich erhellend; das gibt uns Auskunft darüber, was der eigentliche Ansatz dieses Antrages ist.
Aber Sie sind im Vergleich zum letzten Mal eleganter geworden, indem Sie nun vorschlagen, eine Kommission einzurichten, und nicht mehr gleich per Gesetz die Abschaffung fordern. Insofern haben Sie, was Ihren Stil angeht, etwas gelernt.
Juristen würden es ein Dauerschuldverhältnis nennen. Im kirchenrechtlichen Fachjargon werden diese Staatsleistungen Dotationen genannt. Unabhängig davon, ob Jurist oder Kirchenvertreter: Jeder kann der Verfassung unmissverständlich den Auftrag entnehmen, dass die Staatsleistungen abzulösen sind. Darin sind wir uns einig. Das heißt im Klartext: Weg von der dauerhaften, hin zu einer einmaligen abschließenden und vor allem angemessenen Zahlung. Das Ziel der Ablösung ist also legitim, aber spannend ist die Frage des Wie. Ich verrate Ihnen kein Geheimnis - Frau Kollegin Horb hat es auch schon gesagt -, wenn ich Ihnen sage, dass wir den Ansatz der Linksfraktion für falsch halten.
Staatsleistungen abzulösen, entspringt, wie gesagt, grundsätzlich einer allgemein akzeptierten Logik. Rechtsverhältnisse und Finanzbeziehungen von Staat und Kirchen sind in beiderseitigem Interesse zu entflechten. Das ist breiter Konsens. Konsens ist aber auch, dass das nur dann erfolgreich sein kann, wenn wir es in einem partnerschaftlichen Miteinander in Angriff nehmen. Vor allem zwischen den Gläubigern und den Schuldnern muss es ein partnerschaftliches Miteinander bei der Ablösung von Staatsleistungen geben. Und hier ist die Sachlage eindeutig. Schuldner sind die 14 Bundesländer, Gläubiger die Kirchen.
Wie beenden nun Gläubiger und Schuldner dieses Zahlungsverhältnis? Wie können also die Staatsleistungen abgelöst werden?
Darauf eine Antwort zu geben, ist schwer. Mit Sicherheit kann gesagt werden: Eine ersatzlose Aufkündigung seitens des Staates - also ein Zahlungsstopp ohne Kompensation - ist weder im Sinne der Verfassung, noch kann dies angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung der Kirchen von irgendjemandem gewollt sein.
In der Theorie geht ja immer alles. In der Theorie könnten wir natürlich, wie von den Linken gewollt, eine Kommission einsetzen, die uns den Preis für die Ablösung bestimmt.
Politik findet aber nicht im theoretischen bzw. im luftleeren Raum statt, sondern sie ist praktisch wie jede Bürgerin und jeder Bürger an Rahmenbedingungen gebunden. Selbst wenn wir unterstellen - ich verweise hier gerne wieder auf die Kollegin Horb -, dass der kleinste Ablösefaktor 18,6 angewendet werden würde, hätte das eine gewichtige Konsequenz. Wir würden dann über 9,5 Milliarden Euro reden, die den Bundesländern entzogen werden müssten.
Der zentrale Ansatz, eine Kommission beim Bundesfinanzministerium einzurichten, ist in der Sache nicht richtig. Die konkrete Ausgestaltung der Staatsleistung ist in den einzelnen Bundesländern höchst unterschiedlich und schwer vergleichbar. So haben wir zum Beispiel in den ostdeutschen Bundesländern die Situation, dass die dortigen Kirchen aufgrund der deutschen Teilung jahrzehntelang von ihren Rechtstiteln gar keinen Gebrauch machen konnten. Deshalb sollte man nicht einen akuten gesetzlichen Handlungsbedarf beim Bund herbeireden, sondern vielmehr die Bundesländer konstruktiv unterstützen, individuelle Lösungen zu finden.
Mein Heimatland Hessen hat das übrigens - Stichwort: Ablösung von Kirchenbaulasten - vorbildlich gemacht. Im Jahr 2003 kam es unter der CDU-geführten Landesregierung mit dem damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch zu einer bundesweit beachteten Rahmenvereinbarung zwischen Staat und Kirchen sowie Städten und Gemeinden. Konkret ging es dabei um die konfliktträchtige Frage, in welcher Höhe sich das Land Hessen an Bau und Unterhalt kirchlicher Gebäude beteiligen muss. Das war kein kleines Problem; denn hier ging es immerhin um 1 200 kirchlich genutzte Gebäude. Die hessische Landesregierung hat nicht nur das Problem identifiziert, sondern auch einen Lösungsprozess initiiert. Die Ablösung der kommunalen Kirchenbaulasten in Hessen ist seitdem eine vielzitierte politische Best Practice.
Ich bin mir sicher, dass die hessische Staatskanzlei gerne auch Anrufe aus Thüringen entgegennimmt, um darzustellen, wie im Bereich der Ablösung von Staatsleistungen ein zielführender Lösungsprozess eingeleitet werden kann.
In der Bundespolitik bestärkt uns das Beispiel Hessen jedenfalls. Wir müssen den Ländern hier die Flexibilität lassen, individuelle Lösungen im Zusammenwirken mit den Kirchen zu finden. Das ist gutes föderales Miteinander, das ist ein partnerschaftliches Miteinander von Staat und Kirche. Und dazu bekennt sich unsere Fraktion in aller Form.
Wir sollten daher zunächst auf freiwillige, in Einzelfragen angemessene Lösungen zwischen den Beteiligten setzen. Der erste Schritt dazu ist, heute Ihren Antrag abzulehnen.
Lassen Sie mich die Debatte bewusst im Geist christlicher Friedfertigkeit beenden. Denn am Ende einer solchen Debatte müssen wir den Kirchen vor allem auch angesichts ihres Beitrags in der gegenwärtigen Situation Dank und Anerkennung zollen. Hunderttausende Hauptamtliche und Ehrenamtliche in beiden Kirchen sorgen tagtäglich dafür, dass gesellschaftliches Leben in Deutschland funktioniert. In den Bereichen Pflege, Seelsorge, Betreuung, Bildung und Denkmalpflege sowie durch unzählige weitere Tätigkeiten tun Kirchen dies jeden Tag. Damit decken sie viele Bereiche ab, die für Staat und Gesellschaft von essenzieller Bedeutung sind.
Der Staat kann im 21. Jahrhundert nicht alle Aufgaben vollumfänglich übernehmen. Er ist auf Ehrenamt und Engagement angewiesen. Die Kirchen in Deutschland leisten auf diesem Gebiet enorme Arbeit und dienen in hervorragender Weise dem Gemeinwohl. Daher sind uns die gesellschaftliche Bedeutung und das Wirken der Kirchen besonders wertvoll.
In der Tat sind 510 Millionen Euro für die Kirchen sehr viel Geld. Wenn wir das an ihren gesellschaftlichen Leistungen messen, wäre die Gesellschaft ohne die staatlichen Leistungen der 14 Länder an die Kirchen aber nicht reicher, sondern wesentlich ärmer. Das sollte es uns wert sein.
Vielen Dank.“