Markus Koob MdB

Meine Rede zum Antrag von Bündnis 90/Die Grünen

Jung, queer, glücklich in die Zukunft – Lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Jugendliche stärken

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Am Donnerstag, dem 23.06.2016, habe ich eine Rede zu dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen „Jung, queer, glücklich in die Zukunft – Lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Jugendliche stärken“ gehalten. Lesen Sie hier meine Rede oder klicken Sie hier, wenn Sie sich die Rede auf der Internetseite des Deutschen Bundestages anschauen wollen.

Ich wünsche Ihnen dabei viel Vergnügen.

Herzliche Grüße

Ihr Markus Koob

„Verehrte Frau Präsidentin!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist schon von meinen Vorrednern heute angesprochen worden: Diese Debatte steht unter dem Vorzeichen der schrecklichen Ereignisse von Orlando, die noch keine zwei Wochen her sind, bei dem 49 junge lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Menschen ihrer Zukunft beraubt wurden und ihr Leben gelassen haben.

Dieser menschenverachtende Anschlag hat uns einmal mehr vor Augen geführt, dass freie, tolerante und offene Gesellschaften angreifbar sind, und der Weg, den wir gehen, um homophobe Vorurteile abzubauen, noch nicht am Ende sein kann. Zwar ist die Dimension dieses homophoben Hassverbrechens von Orlando in der westlichen Welt einzigartig, homophobe Hassverbrechen sind es bedauerlicherweise nicht. 2015 gab es in Deutschland offiziell 220 Straftaten aufgrund sexueller Orientierung. Die Dunkelziffer wird auf ein Vielfaches geschätzt.

Erst im vergangenen Monat wurde beispielsweise eine Frau in der Berliner S-Bahn homophob beschimpft und ihr ins Gesicht geschlagen. Die Ausnahme ist hier nicht das Verbrechen, sondern dass das Opfer die Tat zur Anzeige gebracht hat. In Zukunft müssen mehr Opfer diesen Weg gehen, damit die Möglichkeit besteht, diese Täter aus dem Verkehr zu ziehen, damit unsere Kinder und Jugendlichen frei von Hass und Gewalt, unabhängig von der eigenen sexuellen Identität glücklich in die Zukunft gehen können.

In der Leipziger „Mitte“-Studie, die vor zwei Wochen veröffentlicht wurde, erklärten 40,1 Prozent der Befragten, dass es ekelhaft sei, wenn sich Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssen. 24,8 Prozent der Befragten halten Homosexualität generell für unmoralisch. Diese Resultate sind schlimm und zeigen zugleich das Gefährdungspotenzial, das es trotz aller Fortschritte der letzten Jahre und Jahrzehnte für unsere homo-, bi-, trans- und intersexuellen Jugendlichen, aber auch Erwachsenen in Deutschland gibt.

Die Gesellschaft und wir als Politikerinnen und Politiker dürfen niemals zulassen, dass Liebe und das Zeigen dieser Liebe als ekelhaft bezeichnet werden darf. Wir müssen Homophobie und Transphobie ebenso entschlossen entgegentreten, darüber aufklären und argumentieren, wie wir es bei Rassismus, Xenophobie und Sexismus ebenfalls machen. Menschen werden homo-, hetero- oder bisexuell geboren. Das ist kein Lifestyle, den man sich aussuchen oder wechseln kann, für oder gegen den man sich entscheiden kann. Das ist schlicht und ergreifend die eigene biologische Identität.

Bevor ich mich inhaltlich den Forderungen Ihres Antrags zuwende, möchte ich noch einmal sehr deutlich machen, dass ich, wie auch der überwiegende Teil der deutschen Gesellschaft, jegliche Form der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung aufs Schärfste verurteile. Gesellschaftliche Minderheiten aller Art genießen in Deutschland Schutz und alle Rechte, die das Grundgesetz jedem Menschen zugesteht. Diskriminierung, Gewalt oder Hass gegen Homo-, Bi-, Trans- oder Intersexuelle sind ein Angriff auf die gesamte Gesellschaft, da sie den Boden unserer freiheitlichdemokratischen Grundordnung, den Boden unseres Grundgesetzes verlassen.

Trotz des Weges, der vor allem auf gesellschaftlicher Ebene noch vor uns liegen mag, dürfen wir nicht vergessen, von wo wir gekommen sind: Bis 1990 galt Homosexualität noch als Krankheit, und sexuelle Handlungen unter Männern waren bis vor 22 Jahren strafbar. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wurde ein langer Weg zurückgelegt.

Als heterosexueller Mann kann ich mich nur sehr schwer in die Lage versetzen, wie es sein muss, dass das Bekenntnis zur eigenen Sexualität den Frieden und die Harmonie innerhalb einer Familie stören und die eigene Zukunft verändern kann. Für LSBTI-Jugendliche - ich verwende jetzt der Einfachheit halber die Abkürzung; ich habe da auch dazugelernt - muss es eine sehr schwere Entscheidung sein, sich Freunden und Familienmitgliedern anzuvertrauen.

Auch heute führen Coming-outs nicht selten zu Spannungen und Zerwürfnissen in den Familien und Freundeskreisen. Auch ein einfaches Händchenhalten führt in der Öffentlichkeit schnell zu Spannungen und Beleidigungen. Die Schulzeit begleitet von homophoben Beschimpfungen zu überstehen, wenn man als Person selbst noch nicht gefestigt ist, ist herausfordernd. Das Leben der eigenen Sexualität ähnelt für Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuelle oftmals einem Spießroutenlauf und verlangt von ihnen viel Selbstbewusstsein. Ich ziehe daher meinen Hut vor dem aufrechten Gang so vieler LSBTI.

In Ihrem Antrag fordern Sie uns auf, bei den Ländern darauf hinzuwirken, die positive Darstellung der Vielfalt der Familienmodelle und Lebensweisen in den Schul- und Lehrbüchern sowie Lehrplänen zu verankern. Liebe Grüne, es tut mir als CDUler durchaus etwas weh, aber Sie sind ja mittlerweile, was die Vertretung in den Landesregierungen angeht, stärker als meine eigene Partei. Die von Ihnen adressierten Themen liegen in der Zuständigkeit der Länder. Ich habe da - vielleicht im Gegensatz zu Ihnen - sehr hohes Vertrauen in die Kolleginnen und Kollegen, die in Ihren Landesregierungen sitzen, dass sie dieses Thema dort ansprechen, wo es eben auch geregelt werden muss. Eine Bevormundung durch den Bund benötigen sie sicherlich nicht. Der richtige Ort für eine Koordinierung Ihres Anliegens ist die Kultusministerkonferenz und nicht der Deutsche Bundestag. Auch für geeignete Aus- und Weiterbildungsprogramme für Lehrkräfte sind die Kultusminister der Länder verantwortlich.

Ich glaube an die Arbeit der Verbände und Vereine, die sich um junge homo-, bi-, trans- und intersexuelle Menschen kümmern. Ich möchte ihnen an dieser Stelle für ihre hervorragende Arbeit danken. In Ihrem Antrag gehen Sie zu Recht auf die gute Arbeit ein, die dort geleistet wird. Zahlreiche Menschen arbeiten täglich daran, dass die Kinder und Jugendlichen heute unbeschwerter mit ihrer eigenen Sexualität aufwachsen können als alle Generationen vor ihnen. Das ist zuallererst ein Erfolg der Community und ihrer vielen Unterstützerinnen und Unterstützer. Informationsmaterialien, wie Sie sie in Ihrem Antrag fordern, gibt es meines Erachtens von den Vereinen und Verbänden der Community schon heute in ausreichender Zahl. Manchmal erreicht man durch Quantität eher das Gegenteil von dem, was man sich wünscht. Qualitativ hochwertige Informationen findet man bereits heute zahlreich im Internet, ebenso Beratungsangebote, auch zielgruppenspezifische.

Zudem frage ich mich, welches Bild Sie von der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland haben, wenn Sie es für nötig erachten, das Sozialgesetzbuch VIII zu ergänzen, um die Grundrichtung der Erziehung der LSBTI sicherzustellen.

Ihrem Wunsch nach einer alle vier Jahre erscheinenden Studie zur Lebenssituation lesbischer, schwuler, bisexueller, trans- und intergeschlechtlicher Jugendlicher kann ich durchaus etwas abgewinnen.

Der Rest Ihres Antrags besteht aus Forderungen nach Aktionsplänen, Pilotprojekten, Kampagnen und Koordinierungsstellen - viele neue Bürokratiestrukturen, anstatt existierende Strukturen einfach zu nutzen und weiterzuentwickeln.

Sie haben ein hehres Ziel, für das ich persönlich durchaus viele Sympathien habe. Bei der Erreichung dieses Ziels gehen wir aber getrennte Wege, so auch bei diesem Antrag.

Vielen Dank.“