Praktikanten-Blog
Als ich am Dienstag, den 06.09. morgens ins Büro kam, lief gerade die Haushaltsdebatte an. So setzte ich mich zusammen mit den anderen Praktikanten in das Büro von Markus Koob und verfolgte gespannt die Debatte. Eine Bemerkung regte mich zum Nachdenken an: Dr. Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Linksfraktion, sprach an, dass Deutschland nicht die 0,7% des Bruttoinlandproduktes für Entwicklungspolitik bereitstelle. Diese 0,7% wurden auf dem G7-Gipfel auf Schloss Elmau von den sieben größten Industrieländern vereinbart. Doch wieso ist Entwicklungspolitik in Deutschland ein Thema von solch hoher Bedeutung? Immerhin belegt Deutschland mittlerweile mit seinem Aufwand für Entwicklungsengagement weltweit mit 14,2 Milliarden Dollar den dritten Platz, hauptsächlich aufgrund der Anhebungen des Etats durch die CDU/CSU-Fraktion.
Eine nachhaltige Entwicklungspolitik ist Grundlage für die Bekämpfung von Armut, Hunger und Krankheiten mit dem Ziel der wirtschaftlichen und politischen Stabilität in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Sie könnte aber auch eine Lösung für das wohl derzeit kontroverseste Thema der Gesellschaft darstellen: Die Flüchtlingskrise. Der größte Anteil der Flüchtlinge mit 40% der Erstanträge kommt aus Syrien, doch viele stammen auch aus Ländern mit hoher struktureller Gewalt wie beispielweise Eritrea oder Nigeria (ca. 15.000 Anträge). Deshalb muss effektiv Fluchtursachenbekämpfung betrieben werden, denn mangelnde Bildung, Armut und Perspektivlosigkeit sind nicht nur Grund für ein menschenunwürdiges Leben, sondern auch ein starker Nährboden sowohl für Krieg, als auch für Extremismus - ob politisch oder religiös.
Weiterhin leistet Entwicklungspolitik einen großen Beitrag im Umweltschutz, vor allem in tropischen Ländern. In Brasilien beispielweise hat Deutschland mehr als 300 Mio. Euro für die Bewahrung des Amazonaswaldes bereitgestellt, welcher einen erheblichen Einfluss auf das Weltklima hat. Der größte Förderbereich der deutschen Entwicklungszusammenarbeit liegt im Bereich Energie. Von 2004 bis 2009 lagen die Ausgaben für Energievorhaben bei mehr als 4 Milliarden Euro. Momentan leben noch 2 Milliarden Menschen ohne Zugang zu Energie und ohne diese haben die Menschen kaum Chancen sich aus ihrer Armut zu befreien. Deshalb ist die Versorgung dieser Menschen mit Energie das vorerst vorrangigste Ziel der Entwicklungszusammenarbeit.
Die Globalisierung hat der westlichen Welt einen Teil ihres Reichtums beschert und nun liegt es in ihrer Verantwortung, ihre Macht und ihre Mittel zu nutzen, um auch dem Rest der Welt ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Dies steht nicht nur im Dienst der Nächstenliebe, sondern ist der Grundstein für eine starke und nachhaltige Weltwirtschaft, von der Deutschland wiederum selbst sehr profitieren kann. Deutschland trägt mit und durch die EU einen wichtigen Beitrag zum Erreichen dieses Ziels bei.
Rund um die Welt existieren politik- und gesellschaftsorientierte Stiftungen, die mit ihrer Arbeit versuchen, die politische Willens- und Meinungsbildung mitzugestalten und zu beeinflussen. Dies ist wichtig, da sie unter anderem regelmäßig die Politik mit Studien versorgen und damit Anreize für Reformen geben. Eine der größten und wichtigsten deutschen Stiftungen ist die Bertelsmann Stiftung, im Jahr 1977 von Reinhard Mohn gegründet. Eine Publikation dieser Stiftung hatte ich als Aufgabe zusammen- zufassen und die politisch bedeutendsten Ergebnisse für das Bundestagsbüro herauszuarbeiten. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Abgeordneten nutzen diese Berichte und Studien von Stiftungen, etc., um sich für ihre politische Arbeit einen wissenschaftlichen Hintergrund zu schaffen und diesen in ihre Politik zu integrieren. Der Bericht, der die Grundlage meiner Arbeit war, beschäftigt sich mit dem Thema „Nachhaltiges Regieren in der OECD und der EU“ und bewertet das Handeln der 41 Mitgliedstaaten dieser Organisationen hinsichtlich des zukunftsorientierten Denkens und der Nachhaltigkeit ihrer Politik. Ziel der Publikation ist es, den Akteuren zu zeigen, in welchen Bereichen es einen Reformbedarf gibt und wo die Politik nicht langfristig durchdacht wird. Dem Bericht lässt sich schnell entnehmen, wie wichtig zukunftsorientierte Konzepte und wie schwierig diese zu erarbeiten sind. Die Politik muss nicht nur schnelle Lösungen für aktuelle Probleme finden, sondern auch die Auswirkungen auf die Folgegenerationen beachten. Weiterhin müssen langfristig stabile Systeme entwickelt werden, sowohl sozial und ökonomisch, als auch ökologisch. Besonderer Schwerpunkt liegt hier bei der Nutzung und Einteilung natürlicher Ressourcen. Genutzt werden hierbei die „Sustainable Governance Indicators“, welche insgesamt über 136 Indikatoren umfassen, die in drei verschiedene Indizes einfließen. Diese drei Indizes sind die Politikperformanz, die Demokratiequalität und das Regieren. Dort wird die Politik der Länder jeweils auf einer Skala von 1 -10 bewertet und die Länder vergleichend aufgelistet. Wenn man alle drei Bereiche betrachtet, stellt man schnell fest, dass Deutschland in fast allen Bereichen zu den erfolgreichsten Staaten der OECD und der EU gehören. In der Kategorie Demokratiequalität beispielsweise belegt Deutschland den 5. Platz. Das politische System der Bundesrepublik punktet insbesondere bei den Bürgerrechten und der Rechtsstaatlichkeit, auch der freie Zugang zu Informationen wird gut bewertet. Jedoch werden in dem Bericht auch Schwächen von Deutschland aufgeführt. So wird beispielsweise kritisch angemerkt, dass die Qualität der Medien zunimmt, im gleichen Zug die Bürger aber das Vertrauen in die Medien und auch die Politik verlieren. Ungewöhnlich für eine wissenschaftliche Arbeit, jedoch umso deutlicher ist die These der Verfasser, dass bei der Bewältigung der Herausforderungen nicht auf vermeintlich einfache Rezepte der Populisten in den Ländern gehört werden darf, da deren politische Vorschläge keine nachhaltigen Lösungen bieten können und langfristig keinen Erfolg haben werden. Weiter Informationen zu dem Thema sind auf der Website der Bertelsmann Stiftung zu finden: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/sustainable-governance-indicators-sgi/
Am 21.10.2016 nahm der Bundestag den Gesetzesentwurf zur „weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes“ mit Gegenstimmen der Linken und Grünen an. Mit Hilfe des Gesetzes wird die Stelle eines hauptamtlichen „Ständigen Bevollmächtigten des Parlamentarischen Kontrollgremiums“ mit Mitarbeitern geschaffen. Somit soll der Bundestag bei seiner Kontrollfunktion in Bezug auf die Nachrichtendienste (Art.45d GG) entlastet und damit gestärkt werden.
Als Reaktion auf die NSA-Affäre im Jahr 2013, im Zuge derer der Whistleblower und Ex-CIA-Mitarbeiter Edward Snowden die großflächige, systematische Überwachung der Bevölkerung und anderer Staaten durch US-Geheimdienste publizierte, berief der Deutsche Bundestag auf Antrag aller Fraktionen im März 2014 einen Untersuchungsausschuss ein. Der aus acht Abgeordneten bestehende Ausschuss hat das Ziel, die Ausmaße der Überwachung Deutschlands durch ausländische Geheimdienste aufzuarbeiten.
2016 wurden die Tätigkeiten ausgeweitet, es soll auch in Erfahrung gebracht werden, inwieweit der Bundesnachrichtendienst (BND) durch Einsatz eigener Selektoren (Suchbegriffe bzw. Filter) Ziele in befreundeten Staaten ausgespäht hat. 2018 wird der Untersuchungsausschuss dem Bundestag, der Bundesregierung, den Geheimdiensten und der Öffentlichkeit einen Bericht mit Empfehlungen und Erkenntnissen vorlegen.
Der Ausschuss hatte schon mit einigen Skandalen und Streitigkeiten zu kämpfen; So ist immer noch ungeklärt, ob und wie Edward Snowden als Zeuge geladen werden soll und kann. Auch Einschüchterungsversuche und die vermeintliche Ausspionierung des Ausschusses standen auf der Tagesordnung.
Der erste Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode hat die Möglichkeit, Zeugen zu vernehmen und als geheim und streng geheim eingestufte Inhalte zu besprechen, dies jedoch nur hinter verschlossenen Türen. Die Sitzungen sind jedoch auch oft öffentlich, so zum Beispiel die 114. Sitzung am 20.10.2016, die ich als Praktikant besuchte.
Schon im Wartebereich des Europasaals wird deutlich, dass immer noch ein reges öffentliches Interesse besteht, viele Medienvertreter, vor allem aus dem Bereich der Blogger, sind anwesend. Nach 60 Minuten nichtöffentlicher Sitzung werden um 12 Uhr die Tore zur Besuchertribüne geöffnet, ein Polizist prüft argwöhnisch die Zuschauer. 8 Abgeordnete aller Fraktionen sind vertreten, die Mengenverhältnisse richten sich nach denen im Plenum. Zudem sind die 1. Zeugin, ihr Rechtsbeistand, zwei Berater und Vertreter verschiedenster Ämter und Ministerien anwesend.
Dr. Löwnau, die erste zur 114. Sitzung geladene Zeugin, ist Referatsleiterin der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Ihr Referat hat die Aufgabe, Bundesbehörden wie dem BND Besuche abzustatten und etwaige Fragestellungen oder Probleme im Bereich Datenschutz und Informationsfreiheit aufzuklären.
Die öffentliche Vernehmung der Zeugin ist nicht sehr ergiebig, des Öfteren verweist sie auf Geheimhaltung, sie könne all diese Fragen nur in nichtöffentlicher Sitzung beantworten. Das Ärgernis über diesen „Geheimhaltungsirsinn“ (Dr. von Notz/Grüne) ist groß, so seien doch die Themen, über die man etwas erfahren möchte, der Öffentlichkeit bereits bekannt. Über den Kontrollbesuch der von NSA und BND betriebenen Abhöranlage in Bad Aibling verrät Dr. Löwnau, er sei sehr aufschlussreich gewesen und Sachstands- und Rechtsbewertungen, also ob dort gegen Art.10 GG und das Fernmeldegeheimnis verstoßen wurde, lägen vor; Diese seien jedoch als geheim bzw. streng geheim eingestuft.
Ströbele (Bündnis90/Grüne) erkundigte sich noch, was denn geschehe, sollte ein Grundgesetzverstoß festgestellt werden. Die Referatsleiterin entgegnete, mehr als den Verstoß beim Kanzleramt zu beanstanden könne die BfDI nicht. Mit Verweis auf die anschließende, nichtöffentliche Befragung, bei der sie dann hoffentlich mehr sagen könne, wurde die Zeugin durch den Ausschussvorsitzenden Prof. Dr. Sensburg (CDU/CSU) in die Mittagspause entlassen.
Zweite Zeugin des Untersuchungsausschusses war Dr. Friederike Nökel. Sie hat seit Ende 2013 im Referat 603 des Kanzleramtes Aufsicht über die Technische Aufklärung (TA) des BND. Mit ihrer Hilfe möchte der NSA-Untersuchungsausschuss aufklären, ob entweder der BND bei Fällen systematischer Fremdaufklärung eine folgenschwere Eigendynamik entwickelte oder ob das Bundeskanzleramt Mitwisser war.
Die Zeugin sagt auf Nachfrage aus, sie sei Ex-BND-Mitarbeiterin. Diese Aussage stößt auf Unverständnis seitens der Abgeordneten; wie könne die gleiche Person zunächst beim BND arbeiten und anschließend für dessen Überwachung zuständig sein. Zudem erkundigte sich der Ausschuss darüber, wann die Zeugin auf die Ausspionierung von Verbündeten durch den BND aufmerksam wurde und was das weitere Vorgehen war.
Zum Vorgehen sagte Dr. Nökel, das Referat habe die standardisierte Arbeit aufgenommen und versucht, die Probleme weitestgehend aufzuklären, nachdem diese im März 2015 erkannt wurden. Sie beteuerte weiterhin, erst 2015 davon erfahren zu haben, obwohl aus anderen Vernehmungen bekannt ist, dass der damalige BND-Präsident den Kanzleramtschef bereits Ende 2013 informiert hatte und von diesem den Auftrag bekam, die Verbündetenüberwachung durch Selektoren zu stoppen.
In öffentlicher Sitzung machten vor allem die Oppositionsvertreter klar, dass sie der Zeugin nicht glauben, der zeitliche Ablauf würde nicht mit bisherigen Erkenntnissen übereinstimmen.
Viel konnte der NSA-Untersuchungsausschuss in öffentlicher Sitzung also nicht über die zentralen Fragestellungen in Erfahrung bringen. Trotzdem erhielt ich durch den Besuch einen interessanten Einblick in die wichtige und aufwändige Arbeit eines Untersuchungsausschusses.
Zur Debatte über Kinderehen in Deutschland
In einem Monat Praktikum im Deutschen Bundestag bieten sich eine Reihe von Möglichkeiten an, über besonders herausragende Momente zu schreiben und zu reflektieren. In einer Zeit, die immer mehr das Wort Ruhe zu vergessen scheint und an einem Ort, der mehr als nur theoretisch das Zentrum politischer Debatte in Deutschland ist, verblassen selbst bedeutende Ereignisse recht schnell in den Grauschattierungen des politischen Alltags. Jedoch brachten die jüngsten Ereignisse in der Türkei mich dazu, noch einmal über eine Veranstaltung nachzudenken, die ich in meiner Zeit hier in Berlin besuchen durfte. Eines Tages während meines Praktikums hatte ich die Gelegenheit an einer Podiumsdiskussion zu der aktuellen Debatte über Kinderehen in Deutschland teilzunehmen. Das hochkarätig besetzte Podium umfasste neben der Diskussionsleiterin Nadine Schön MdB weitere Politiker und Vertreter von NGOs wie zum Beispiel den bayerischen Staatsminister der Justiz Prof. Dr. Winfried Bausback MdL oder den Autoren Ahmad Mansour.
Eine echte Diskussion zu der Frage, ob die Ehe von verheirateten Kindern in Deutschland Gültigkeit hat, fand nicht statt. Alle Beiträge gingen von der Überzeugung aus, dass Kinder einen besonderen Schutz benötigen, der sich auch in dem Schutz vor einer im Kindesalter geschlossenen Ehe manifestiert. Vielmehr ging es um Einzelaspekte der Diskussion, wie man mit den aktuellen Situationen umgehen sollte.
Wie kann man eine Ehe einschätzen, bei der ein oder beide Teile das vierzehnte Lebensjahr noch nicht überschritten haben. Hier bestand die Ansicht, dass es sich dabei um keine Ehe im deutschen Rechtsverständnis handeln kann, da die Zustimmung des Minderjährigen nicht gegeben sein kann. Dabei wäre es auch nicht von Belang, ob die Betroffenen der Ansicht sind, dass sie der Ehe zugestimmt haben, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Kinder in diesem Alter die Folgen dieser Entscheidung noch nicht selbst überblicken können.
So kam die Frage auf, ab welchem Alter eine Ehe in Deutschland überhaupt als gültig angesehen werden sollte. Allseits wurde der Vorschlag begrüßt, dass Ehen künftig in Deutschland Ehen nur zwischen volljährigen Menschen geschlossen werden dürfen, zumal die Zahl der Eheschließungen zwischen Minderjährigen in den letzten Jahren stark rückläufig war. Einigkeit herrschte auch in der Frage, ab welchem Alter Ehen, die im Ausland geschlossen wurden, vom Staat anerkannt werden sollten. Hier wurde die Grenze bei 16 Jahren gesetzt.
Deutlich kontroverser wurde es bei der Frage, was mit Ehepaaren passieren sollte, die dieses Kriterium nicht erfüllen, bzw. bei Eheschließung nicht erfüllt haben. Ihre Ehe wäre nach deutschem Recht nichtig, bzw. müsste für ungültig erklärt werden. In diesen Fällen müsste im Einzelfall entschieden werden, was mit den betroffenen Paaren geschieht. In vielen Situationen wäre eine Trennung der beiden nicht förderlich, insbesondere wenn sie schon Kinder haben sollten. So wäre es unter der Aufsicht des Jugendamtes möglich, dass sie in ständigem Kontakt bleiben oder zusammen leben können. Der Staat würde es sich durch diese Vorgehensweise ermöglichen, dass auch begangene Straftaten in Ehen, insbesondere die zwanghafte Verheiratung noch nachträglich strafrechtlich verfolgt werden können. Somit soll jeweils so entschieden werden, dass insbesondere die minderjährigen Ehepartner keinen Schaden nehmen und sie entsprechend ihrer persönlichen Bedürfnisse von staatlicher Seite behandelt werden können. Eine junge Frau, deren stärkste soziale Bindung zur Familie des Ehemanns besteht, sollte damit auch die Möglichkeit behalten, diesen Kontakt aufrecht zu erhalten, wenn es zu ihrem eigenen Wohl ist und es ihrem Wunsch entspricht.
Zentraler Bestandteil der Veranstaltung war das Zeugnis einer Frau aus Afghanistan, die auf Bitte der Bundestagsfraktion über ihre Verheiratung mit einem älteren Mann berichtete, der sie in Afghanistan und auf der Flucht zur Prostitution trieb, ihr ihre Kinder wegnahm und diese immer noch von ihr fernhält. Natürlich sind die meisten Kinderehen nicht von derartigen Gewaltexzessen geprägt, aber auch in diesem Fall wurden sich die anwesenden Politiker und Gäste der besonderen Relevanz bewusst, die dieses Thema bis heute hat.
Eine Herausforderung für die Behörden liegt in der Frage, ob sie Ehen von Minderjährigen überhaupt als solche erkennen können. In den wenigsten Fällen liegen Dokumente vor und oft wurde eine Ehe nur unter Beisein von Zeugen oder eines Imams geschlossen. Hier liegt die Verantwortung vor allem bei den Institutionen und ehrenamtlichen Initiativen, diese Fälle an das Jugendamt weiterzugeben, wenn sie von einem solchen Fall erfahren.
Ein Vorurteil, welches bis zuletzt die Debatte prägte, liegt in den religiösen Implikationen des Themas. Oft entsteht der Eindruck, dass der Islam eine frühe Eheschließung erlauben, sogar gutheißen würde. Auch wenn entsprechende Regeln vorhanden sind, die die Vermählung von Frauen im Kindesalter erlauben, wäre diese Verbindung doch zu kurz gegriffen. Letztlich sieht der Islam keine Eheschließung im Sinne des christlichen Verständnisses vor. Eine Eheschließung ist im Wesentlichen eine Vereinbarung der Ehepartner und deren Familien, die von einem Imam begleitet werden kann. Dieses Beisein eines Geistlichen ist aber nicht vorgeschrieben und hat keine weiteren Auswirkungen auf die Gültigkeit oder den Wert der Ehe.
Ob das Thema der Kinderehen nun tatsächlich ein religiöses Problem ist oder vielleicht doch eher eines, das aus der kulturellen Prägung einer Region entsteht, ist nicht ganz eindeutig. Es bleibt jedoch ein Thema, um das Deutschland auch in den nächsten Jahren nicht herumkommen wird. Dazu wird man sich eine Meinung bilden und diese auch vertreten müssen. Insofern war die Veranstaltung eine überaus lohnende, die den anwesenden Parlamentariern und einem breiteren Publikum die Vielschichtigkeit und die zentralen Schwierigkeiten dieses Themas bewusstmachten.
Plenumssitzung des 20.04.2018 –Diskussion über die Verlängerung der EUTM-Mali
Gestern hatte ich die Möglichkeit der Debatte über die „Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Militärmission der Europäischen Union als Beitrag zur Ausbildung der malischen Streitkräfte (EUTM Mali)“ im deutschen Bundestag beizuwohnen.
Hintergrund: Die Republik Mali konnte sich zwar nach der Machtübernahme Amadou Tourés im Jahr 1991 weitgehend politisch stabilisieren, dennoch blieb eine schwerwiegende Problematik bestehen: die Tuareg-Frage. Die Tuareg lebten Jahrhunderte als Nomaden in den Gebieten der Sahara und der Sahelzone bis sie Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts im Sahel sesshaft wurden und eine hirtennomadische Lebensweise begannen, die allerdings nur selten von den Regierungen dieser Länder respektiert wird. So schlossen sich viele Tuareg während des Bürgerkriegs in Libyen dem Revolutionsführer und Diktator Muammar al-Gaddafi an. Nach dessen Tod mussten eben diese Tuareg durch Flucht oder Vertreibung Libyen verlassen und strömten in den Norden Malis. Dort versuchen sie seitdem als „Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad“ einen unabhängigen Staat aus Mali abzuspalten und proklamierten im Jahr 2012 sogar dessen Unabhängigkeit. Dies resultierte in der Absetzung des malischen Präsidenten Touré durch einen Militärputsch. Um eine weitere Eskalation in Mali zu verhindern beschloss die EU auf Grund von der UN Resolution 2085 am 18.02.2013 eine Ausbildungsmission (European Union Training Mission; kurz EUTM) einzuleiten, der sich der Deutsche Bundestag ohne Verzögerung anschloss.
Sicherlich muss man sich bewusst machen, welche Gefahren der Auslandeinsatz für deutsche Soldaten bedeutet. Weit über 100 Soldaten mussten nicht nur ihre Heimat, sondern auch ihre Familien für eine bestimmte Zeit zurücklassen und arbeiten an einer schier endlosen Aufgabe. Denn trotz dessen, dass das Verteidigungsministerium 70% der malischen Streitkräfte für ausgebildet erklärt hat, kann man nicht wirklich von politischer Stabilisierung des Landes sprechen. Weiterhin gilt der Auslandseinsatz in Mali als einer der gefährlichsten weltweit, wobei die Bundeswehr bisher zwei Soldaten bei einem Hubschrauberabsturz verloren hat.
Und dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass Deutschland weiterhin seinen Beitrag zur territorialen Integrität und Entwicklung der Republik Mali beitragen muss. Es entspricht unserer Verpflichtung vor der internationalen Gemeinschaft die weltweite Sicherheit zu fördern und so ist es auch nur konsequent, dass die Ausbildungsmission in Mali nicht mehr nur auf malische Streitkräfte begrenzt ist, sondern auf die Streitkräfte der G5-Sahelstaaten ausgeweitet werden soll. (Allerdings bleibt das Einsatzgebiet der Bundeswehr auf die Republik Mali beschränkt und wird nur auf die Sektor-Hauptquartiere der G5-Sahel-Einsatztruppe in Niger, Tschad und Mauretanien inklusive deren Versorgungswege ausgeweitet.) Altbundespräsident Gauck bezeichnete die Bundeswehr einmal als „Friedensmotor“. Eine sehr treffliche Beschreibung, denn die Bundewehr kann im Norden Afrikas nicht nur Menschenrechte fördern, sondern auch den Terrorismus bekämpfen und als Konsequenz die Demokratie vorantreiben.
Aus all diesen Gründen ergibt sich für mich die Notwendigkeit der Verlängerung des Mandats für EUTM-Mali, dass ja durch die Unterstützung der Koalitionsfraktionen, der FDP und den Grünen aller Voraussicht nach zu Stande kommen sollte. Dabei muss man auch der AfD vehement widersprechen, die die Stagnation in Mali scharf kritisiert. Es bedarf Zeit für eine tiefgründige und nachhaltige Konfliktlösung und diese Zeit muss man den Soldaten auch einräumen! Der Zeit- und der Kostenaufwand sind es wert, Millionen von Menschen von Hunger und Gewalt zu befreien und eine Weiterentwicklung der Republik Mali zu ermöglichen!
Der Einfluss der AfD auf die Arbeit des Bundestags und dessen Folgen
Im Zuge unseres Praktikums hatten wir die Möglichkeit an der ersten Plenarsitzung nach der Sommerpause teilzunehmen. Eigentlich erwarteten wir eine umfangreiche und in manchen Teilen sicherlich auch langatmige Haushaltsdebatte. Doch obgleich es ein facettenreiches Themenspektrum abzudecken gab, wurde sich in erster Linie über die Flüchtlings- und Migrationspolitik ausgetauscht – die AfD verwendete hierfür beinahe ihren gesamten Redeanteil, während die anderen Parteien zum Teil auch erheblich darauf eingingen, sodass andere wichtige Themen – seien es Sport, Kultur oder die Digitalisierung - weitgehend außen vor blieben. Beleidigungen, Spott und unhöfliche Zwischenrufe bleiben nun nicht mehr aus. Diese Arbeitsweise der AfD im Bundestag begleitete und beschäftigte uns auch im weiteren Verlauf unseres Praktikums immer wieder.
Grund für dafür waren beispielhaft Aussagen wie diese: Ein AfD-Politiker sagte im Zuge der Haushaltsdebatte, dass es sich bei der Flüchtlingskrise um „die Urkatastrophe des 21. Jahrhunderts“ handele und verwies auf die des 20. Jahrhunderts, das Jahr 1914, woran sich deutlich zeigt, dass die stille Revolution, die von der AfD geplant wird, nicht nur eine Verschwörungstheorie ist, sondern Hand und Fuß hat. Auch in der Bevölkerung breiten sich Tendenzen aus, die zur Spaltung neigen. Nicht nur zwischen Jung und Alt, arm und reich, sondern auch zwischen AfD-Wähler und Anhänger der anderen Parteien droht eine Lücke zu entstehen. Schnell kommt es zu verbalen Auseinandersetzungen, manchmal sogar zu gewalttätigen Übergriffen, Verleumdung und Misstrauen. Die Ziele, die Funktionsweise und die Frage, wie gegen die Folgen und Auswirkungen gewirkt werden kann, ist deshalb Inhalt unseres Eintrags geworden.
Doch werfen wir nun einen Blick auf die konkrete Arbeitsweise der Partei im Plenarsaal. Sieht man sich das Sommerinterview mit dem Vorsitzenden der Alternative für Deutschland Alexander Gauland an, so manifestiert sich schnell der Eindruck, dass die Partei kein breit aufgestelltes politisches Programm vorweisen kann - und während der Debatten im deutschen Bundestag zeigt sich schnell: das möchte die AfD auch gar nicht. Dennoch schien sie zu jedem Thema während der Haushaltsdebatte, sei es nun die Diskussion über die Ausgaben für Bildung, die Verteidigung oder gar die Tagesordnung – immer wieder platzierten die Politiker in ihren Reden die Migranten- und Flüchtlingsproblematik. Das am häufigsten verwendete und mit scheinbar jeder Rede extremer werdende Element war und ist stets die Überschreitung von Grenzen. So sagte Gauland in der ersten Rede anlässlich der Haushaltsdebatte, Hitlergrußzeiger seien doch die größte Hoffnung für die Bundesrepublik. Auch Begriffe, die typischerweise mit dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte in Verbindung gebracht werden, wie etwa „Gleichschaltung“ fallen immer häufiger und geschickt platziert in den Reden. Dies hat vor allem eine Folge, die sich direkt im Arbeitsablauf des Parlaments bemerkbar macht: Die Agenda des Bundestages wird wesentlich stärker durch die AfD beeinflusst als es einer gesunden Debatte zuträglich wäre und die anderen Parteien es sich eingestehen wollen. Denn inhaltlich beziehen sich die Reden der anderen Parteien stets oder zumindest in beträchtlichem Umfang, auf vorangegangene polemische Äußerungen der AfD. Als Zuhörer fängt man somit die Stimmung auf, dass nur ein Thema relevant scheint; ein Thema, welches immer automatisch mit der Alternative für Deutschland in Verbindung gebracht wird: Die Flüchtlingspolitik.
Doch welche Wirkung verfolgt die Partei damit? Inhaltlich überzeugen möchte sie jedenfalls nicht, das steht fest. Stattdessen versucht die AfD durch polemische Rhetorik rechtes - ja teilweise rechtsextremes Gedankengut in der politischen Debatte wieder salonfähig zu machen. Glaubt man der AfD, so ist die Absicht dahinter „Sprachrohr für die stille Mehrheit besorgter Bürger“ zu sein. Abgesehen davon, dass diese Äußerung angesichts des Wahlergebnisses von 12,5 % als reine Anmaßung gesehen werden kann, ist doch offensichtlich, dass die parlamentarische Arbeit viel mehr als Bühne für Ihren eigens inszenierten medialen Auftritt im Internet missbraucht wird, bei dem die Reden durch verschiedene Kanäle aus dem Kontext gerissen veröffentlicht werden. Die Wirkung dessen ist schon jetzt spürbar:
Zum einen besteht die Gefahr, dass die geschaffene mediale Aufmerksamkeit in Verbindung mit der Senkung oben beschriebener Hemmschwelle zu einer Spaltung der Gesellschaft führt. Dies haben zuletzt in trauriger Deutlichkeit die Geschehnisse in Chemnitz gezeigt: 120 Verfahren wegen rechtsextremer Straftäter, die teilweise den Hitlergruß zeigten und zu Gewalttaten an Ausländern aufriefen machen deutlich, dass eine gesellschaftliche Spaltung jedenfalls nicht unmöglich scheint. Dass der Rechtsstaat öffentlich dermaßen angefeindet wird, war jedenfalls vor wenigen Jahren in diesem Maße noch undenkbar, auch wenn bei Weitem nicht von einer besorgniserregenden Unterwanderung des Rechtsstaats die Rede sein kann, wie von Kathrin Göring Eckhardt teils behauptet.
Wie reagieren die Parteien und Politiker?
Festgestellt wurde diese Problematik durch die Politiker der anderen Fraktionen. Doch wie kann darauf reagiert werden? Die Union verfolgt das Ziel an die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger zu appellieren: Die Maske der AfD sei durch öffentliche Auftritte mit Neonazis gefallen, den Bürgern würde nun von alleine klar werden, dass die AfD keine wählbare und vernünftige Alternative sei, sagt beispielsweise der erste parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU Fraktion Michael Grosse-Bröhmer. Außerdem sei der Rechtsstaat in der Pflicht die AfD zu kontrollieren und verfassungsmäßig zu überwachen, da der Schaden am Rechtsstaat, der Demokratie und der Gesellschaft durch das rechtsextreme Gedankengut der AfD nicht hinnehmbar und schon gar nicht verfassungsmäßig sei, so der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz. Andere Politiker, beispielsweise Peter Altmaier, sind hingegen der Überzeugung, dass die spürbaren Ergebnisse ordentlicher, anti-populistischer politischer Regierungsarbeit schlussendlich die Wähler zu den etablierten Parteien zurückholen werden. Als Beispiel nennt Altmaier eine vernünftige und zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik, die Arbeitsplätze und Wertschöpfung in unserem Land erhalte und fördere – so würde die Bevölkerung langfristig feststellen, dass die Politik der etablierten Parteien eine stabile und nachhaltige ist. So werde dem Rechtspopulismus der Nährboden entzogen. Ob diese Maßnahmen greifen und wenigstens die oben genannten Protestwähler wach rütteln können, bleibt jedoch angesichts des Niveaus der aktuellen politischen Debatte abzuwarten.
Abschließend kann dennoch gesagt werden, dass wir alle auf unseren starken Rechtsstaat vertrauen und über eines sicher sein können: nicht die destruktive Politik rechter oder linker Populisten und Extremisten, sondern eine vernünftige Politik und Debattenkultur wird unser Land voranbringen und wir haben großes Vertrauen in unser Parlament, dass es diese wieder etablieren und sich nicht von toleranter und wertebezogener Politik abbringen lassen wird.
Der UN-Migrationspakt: Eine globale Lösung für eine globale Herausforderung?
In den letzten Wochen dominierte der UN-Migrationspakt den politischen Diskurs. Dies zeigte sich auch insbesondere in den Plenarsitzungen im Deutschen Bundestag. Hier wurde in den letzten Sitzungen vermehrt über den UN-Migrationspakt debattiert. Im Rahmen meines Praktikums hatte ich die Möglichkeit, diese teils hitzig geführte Debatte live von den Besucherrängen des Plenums zu verfolgen.
Dabei fiel mir bei den Reden der Abgeordneten auf, dass diese nahezu in jedem Redebeitrag sinngemäß betonten, dass eine globale Herausforderung wie die Migration einer globalen Lösung bedarf. Dieses Argument kennt man auch aus anderen politischen Debatten, wenn zum Beispiel über den Klimawandel, den Welthandel oder die Digitalisierung gesprochen wird. Da dieser Satz inflationär und oftmals phrasenhaft verwendet wird, habe ich den UN-Migrationspakt zum Anlass genommen, um die Bedeutung dieser Aussage genauer zu durchleuchten.
Was macht Migration zu einer globalen Herausforderung?
Laut dem internationalen Migrationsbericht der Vereinten Nationen gibt es momentan über 250 Millionen Migranten auf der Welt. Migration ist ein Phänomen, welches auf jedem Kontinent stattfindet. Die meisten Migranten leben in Asien, gefolgt von Europa, Nordamerika und Afrika. Die Gründe wieso Menschen emigrieren sind vielfältig. Menschen wandern zum Beispiel aus, um ihre Lebenssituation zu verbessern, um Armut zu entfliehen oder weil es Ihnen an Perspektiven mangelt. Migration ist kein neues Phänomen und findet in nahezu allen Teilen der Welt statt. Die meisten Migranten kommen aus Indien (16,6 Mio.), gefolgt von Mexiko (13,0 Millionen), Russland (10,6 Millionen), China (10,0 Mio.), Bangladesch (7,5 Mio.), Syrien (6,9 Mio.), Pakistan (6,0 Mio.), Ukraine (5.9 Mio.) und den Philippinen (5,7 Mio.). Auch aus Deutschland sind im Jahr 2017 über eine Millionen Menschen emigriert.
Viele Menschen erleben auf dem Weg ihrer Migration oftmals chaotische, teils menschenunwürdige Bedingungen. Die Migranten nehmen oftmals tausende Kilometer zu Fuß über Ländergrenzen hinweg auf sich und setzen sich dabei lebensbedrohlichen Situationen durch beispielsweise eine mangelnde Gesundheits- und Grundversorgung aus. Längst haben Schleuser und Menschenhändler hier ein Geschäftsmodell entdeckt und schmuggeln Migranten unter lebensbedrohlichen Umständen zum Beispiel über die Mittelmeerroute. Viele Migranten stranden zudem auf ihrem Weg in Sammellagern, in denen sie massive Menschenrechtsverletzungen wie Folter, sexuellen Missbrauch oder illegale Inhaftierungen erleiden. In Libyen ist in solchen Lagern ein regelrechter Markt für Arbeitssklaven entstanden. Nicht selten werden die Menschen dabei unter falschen Versprechen gelockt, ohne überhaupt eine Aussicht auf eine legale Migration zu besitzen, da sie keine Visa erhalten werden. Das führt zu illegaler Migration, die klar von der legalen unterschieden werden muss.
Auch für die Ankunftsstaaten entstehen dadurch viele Probleme. So können beispielsweise illegale Migranten nicht zurückgeführt werden, weil ihre Identität aufgrund fehlender Pässe nicht festgestellt werden kann oder weil sich Herkunftsstaaten weigern, ihre Staatsbürger wiederaufzunehmen. Insgesamt zeigt sich also an vielen Stellen, dass es der Migrationspolitik an klaren Rahmenbedingungen und Ordnungsvorgaben fehlt. Dies wirkt sich nicht nur nachteilig auf die Migranten aus, sondern hat auch negative Folgen für die Herkunfts-, Transit- und Ankunftsstaaten von Migration.
Was macht den UN-Migrationspakt zu einer globalen Lösung?
Um diesen globalen Herausforderungen zu begegnen, haben über 190 Staaten in einem transparenten Prozess den UN-Migrationspakt, der eigentlich „Globaler Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ heißt, ausgehandelt. Dieser wird am 10.12.2018 in Marrakesch in Marokko angenommen. In der Präambel wird betont, dass der UN-Migrationspakt einen „rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen“ darstellt, die „internationale Zusammenarbeit zwischen allen relevanten Akteuren im Bereich der Migration“ fördert und gleichzeitig die „Souveränität der Staaten“ wahrt. Wie bereits aus dem Namen des Paktes hervorgeht, will man Migration ordnen und steuern. Gleichzeitig besteht die Absicht, Migration zu reduzieren. Dazu sieht der Pakt eine Vielzahl von Zielvorgaben vor. Im Folgenden werde ich auf die Wichtigsten eingehen.
Im Pakt wird sich darauf verständigt, „nachteilige Triebkräfte und strukturelle Faktoren, die Menschen dazu bewegen, ihre Herkunftsländer zu verlassen“ zu reduzieren. Das bedeutet, dass international die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Standards angehoben werden sollen, damit den Menschen Perspektiven und Sicherheiten geboten werden. Dies wird im Ergebnis dazu führen, dass der Migrationsdruck abgebaut und damit Migration begrenzt wird. Denn befinden sich die Menschen auch künftig in prekären Lebenslagen, werden diese weiterhin ihren Weg so lange fortsetzen, bis ihre Lebensbedingungen im Mindestmaß akzeptabel sind.
Zudem betont der UN-Migrationspakt Menschenleben durch koordinierte internationale Maßnahmen zu retten. Dies ist eigentlich keine neue Vereinbarung, sondern bereits in der Charta der Menschenrechte der Vereinten Nationen fest verankert. Aufgrund der bereits geschilderten Menschenrechtsverletzungen ist es jedoch leider nötig geworden, dies noch einmal zu betonen und Handlungsbedarf aufzuzeigen. Diesbezüglich wird insbesondere auch den Schleusern und Menschenhändlern der Kampf angesagt. So soll die „internationale Zusammenarbeit zur Prävention, Untersuchung und strafrechtlicher Verfolgung und Bestrafung“ gegen Schleuser und Menschenhändler intensiviert werden.
Darüber hinaus wird auch die Zielvorgabe ausgesprochen, ein „integriertes, sicheres und koordiniertes Grenzmanagement“ einzuführen. Irreguläre Migration soll verhindert und reguläre Grenzübertritte sollen ermöglicht werden. Diesbezüglich einigt man sich im UN-Migrationspakt auch auf die „Sicherstellung dessen, dass alle Migranten über den Nachweis einer rechtlichen Identität und ausreichende Dokumente verfügen“. Dies erleichtert spätere Rückführungen von illegalen oder straffällig gewordenen Migranten.
Der UN-Migrationspakt adressiert damit die aufgezeigten globalen Herausforderungen direkt. Die Staaten haben erkannt, dass multilaterales Handeln zur Problembewältigung der globalen Migration essentiell ist. Um internationale Standards zu erhöhen, Menschenrechte zu schützen, Schleuserkriminalität zu bekämpfen und ein Grenzmanagement zu organisieren, müssen die Staaten global an einem Strang ziehen. Nur auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass Migrationsursachen abgebaut, Menschenrechte geschützt und illegale Migration verhindert werden. Der UN-Migrationspakt ist somit ein vernünftiger globaler Lösungsansatz für eine internationale Herausforderung. Er wird die Migration ordnen, steuern und begrenzen und liegt damit im deutschen Interesse.
Link zum internationalen Migrationsbericht der UN: http://www.un.org/en/development/desa/population/migration/publications/migrationreport/docs/MigrationReport2017_Highlights.pdf
Link zum UN-Migrationspakt: http://www.un.org/depts/german/migration/A.CONF.231.3.pdf
Die doppelte Widerspruchslösung bei der Organspende
Von Maximilian Groß
Vor einigen Monaten nahm meine Mutter ein paar unausgefüllte Organspendeausweise aus der Arztpraxis mit nach Hause. Ohne lange abzuwägen nahm ich mir einen Ausweis und füllte ihn aus. Seit diesem Tag steckt er in meinem Geldbeutel.
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich durchaus, dass es in Deutschland einen akuten Mangel an Spenderorganen gibt. Wie drastisch die Lage jedoch ist, war mir nicht klar. Ich wurde erst wieder mit dem Thema konfrontiert, als ich im Rahmen meines Praktikums im Büro des Bundestagsabgeordneten Markus Koob eine Plenarsitzung zu ebendiesem Thema mitverfolgen durfte. Diskutiert wurde über einen Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), mit dem der Minister die Zusammenarbeit und Strukturen bei der Organspende verbessern will. Zudem wurde über einen Antrag der FDP- Fraktion geredet, die mit der Legalisierung altruistischer Organlebendspenden die dringend benötigten Spenderorgane zumindest teilweise gewährleisten möchte. Hierbei betonten Vertreter aller Parteien, wie wichtig das Thema sei und wie dringend Spenderorgane gesucht seien. Eine unterhaltsame Diskussion sah anders aus, es gab keinerlei wirklich kontroverse Aspekte. Trotzdem fühlte ich mich inspiriert, mich einmal näher mit dem Thema zu befassen und erkannte schnell, wo beim Thema Organspende das eigentliche Problem, der eigentliche Interessenkonflikt besteht.
Die Fakten
10.000 Personen stehen in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Im Jahr 2018 spendeten allerdings nur 955 Menschen postmortal Organe. Auf eine Niere warten momentan etwa dreimal so viele Menschen, wie Organe gespendet werden.[1] Im internationalen Vergleich von postmortalen Organspendern je Million Einwohner steht Deutschland weit abgeschlagen noch hinter Weißrussland und dem Iran.[2] Es muss sich definitiv etwas ändern, denn es geht um Leben und Tod. Alle acht Stunden stirbt ein Mensch in Deutschland wegen fehlender Organspenden- das sind drei Menschen pro Tag und mehr als tausend pro Jahr[3]. Todesfälle, die wir als Gesellschaft verhindern könnten. Wenn mehr Menschen ihren Namen auf ein kleines Kärtchen geschrieben hätten, würden jetzt Kinder nicht ohne ihren Vater oder ihre Mutter aufwachsen. So dramatisch ist die Lage.
Die Widerspruchslösung
Spahns Gesetzentwurf ist schön und gut. Sicherlich hilft es, wenn ineffektive Strukturen in Krankenhäusern reformiert und Transplantationsbeauftragte eingeführt werden und die Krankenhäuser nicht auf den Kosten für die Transplantationen sitzenbleiben. Spahns Entwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung, er möchte sicherstellen, dass das volle Potenzial solcher Institutionen für Organtransplantationen ausgenutzt werden kann. Doch auch der Minister weiß: Gelöst ist das Problem dadurch noch lange nicht.
Spahn favorisierter Weg, das Problem tatsächlich zu lösen ist ein anderer Ansatz: Die sogenannte „doppelte Widerspruchslösung“. Diese würde jeden Deutschen automatisch zum Organspender machen, wenn er, oder wenn das nicht mehr möglich ist, seine Familie (darum „doppelt“), dem nicht ausdrücklich widersprechen. Doch wäre die „doppelte Widerspruchslösung“ Thema der Debatte im Bundestag gewesen, wäre sie vermutlich wesentlich lebhafter gewesen. Es ist wie bei so Vielem: Alle sind an Bord mit einer Maßnahme zum Wohle der Gesellschaft, bis es sie selbst unmittelbar betrifft. Alle können mit vagen Absichtserklärungen und marginalen Verbesserung der Rahmenbedingungen besser leben als mit durchschlagskräftigen Maßnahmen. Allerdings sind es häufig diese durchschlagskräftigen Maßnahmen, die die Rechte und die Freiheit des Individuums beschränken. Der Widerstand zur „doppelten Widerspruchslösung“ lässt sich wie so Vieles zurückführen auf den Konflikt von Individuum und Gesellschaft.
So ist die Maßnahme zwar für ihre Befürworter, wie Spahn, die einzige Lösung, um die Zahl der Organspender zu erhöhen, für ihre zahlreichen Kritiker allerdings ein krasser Eingriff des Staates in die persönliche Freiheit des Einzelnen. Es wird von „Fremdbestimmung“ geredet, von einer „Organabgabepflicht“. Dr. phil. habil. Anna Bergmann, Professorin an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Frankfurt stellt in ihrem Essay „Organspende - tödliches Dilemma oder ethische Pflicht?“ fest: „Zwei sich widersprechende Ethiken stehen in einem konkurrierenden Verhältnis: auf der einen Seite geht es um die potenzielle Lebensrettung durch Organspenden, auf der anderen Seite sind damit Tabuüberschreitungen verbunden, die unsere Vorstellungen über Menschenwürde, medizinische Ethik und den sozialen Umgang mit einem sterbenden sowie toten Menschen aus den Angeln heben.“[4]
Ist die Widerspruchslösung aus moralischer und ethischer Sicht vertretbar? Lässt sie sich mit der Menschenwürde vereinbaren?
Organspenden retten Leben, sagen ihre Befürworter. Es sei gerade unmoralisch, eintausend Menschen pro Jahr sterben zu lassen. Durch die Widerspruchslösung könnte man einen Großteil dieser Menschen retten. Doch zu welchem Preis? Wägt man durch die Widerspruchslösung nicht das Selbstbestimmungsrecht und die Menschenwürde des Einzelnen, die Grundpfeiler des Grundgesetzes und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gegen das Wohl der Allgemeinheit ab?
So eindeutig, wie es die Kritiker der Widerspruchslösung machen wollen, ist die Antwort zu dieser Frage für mich nicht. Denn niemand wird gezwungen, seine Organe zu spenden. Ich kann von meinem Recht Gebrauch machen „Nein!“ zu sagen und das wird respektiert. Versäumt man das, haben die Angehörigen immer noch die Chance, Organentnahmen zu verbieten. Die Entscheidung liegt nach wie vor bei mir, mein Selbstbestimmungsrecht bleibt erhalten.
Doch besteht für mich nicht die Gefahr, gesellschaftlich stigmatisiert zu werden, wenn ich die Organspende verweigere? Wo wird mein „unsoziales Verhalten“ dokumentiert, wer hat darauf Zugriff? All dies sind gute und wichtige Fragen, auf die ich keine zufriedenstellenden Antworten geben kann.
Auch der Bestechungsskandal 2010/11 erschütterte das Vertrauen der Deutschen in die mit der Organspende verbundenen Institutionen und wird gerne von Organspendegegnern ins Feld geführt. Wenn nun über eine Widerspruchslösung diskutiert wird müssen wir uns fragen: Können wir den zuständigen Institutionen unsere Organe noch guten Gewissens anvertrauen? Steigt mit einer höheren Anzahl an Spenderorganen, die die Einführung der Widerspruchslösung ja sicherlich mit sich brächte auch die Korruption in der Vergabe?
Meiner Meinung nach wäre das Gegenteil der Fall. Wenn mehr Spenderorgane vorhanden wären, würde für viele die „Notwendigkeit“ zur Bestechung gar nicht mehr bestehen.
Es gibt gute Gründe, keine Organe zu spenden. Der eine trifft eine solche Entscheidung aus religiösen Gründen, der Andere vielleicht aus wissenschaftlichen: Denn auch die Frage, ab wann ein Mensch als „tot“ gilt ist kontrovers und selbst unter Medizinern umstritten. Wir als Gesellschaft müssen eine solche Entscheidung eines Menschen dringend akzeptieren. Doch sich überhaupt nicht mit der Thematik auseinanderzusetzen finde ich unverzeihlich. Laut einer BZgA-Repräsentativbefragung im Jahre 2018 haben 84 Prozent der Deutschen eine positive Einstellung zur Organspende, aber nur 36 Prozent besitzen einen Organspendeausweis.[5] Das ist die typische „thoughts and prayers“- Mentalität, die man heutzutage an so vielen Stellen beobachten kann. Es ist eine Sache, in der Theorie für oder gegen etwas zu sein, eine andere, sich aktiv für seine Meinungen einzusetzen und zu handeln. Wenn Sie „für die Organspende“ sind und sich hinreichend über das Thema informiert fühlen, schnappen Sie sich bitte einen Organspendeausweis und füllen Sie ihn aus! Es dauert höchstens eine Minute!
Wir brauchen dringend eine gesellschaftliche Debatte, in der wir offen über die Organspende und mögliche Lösungen reden. Wir müssen alle Meinungen hören und respektieren und dann als Gesellschaft entscheiden, welche Lösung sich anbietet. Als Mensch mit einem eher liberalen Weltbild fällt es mir schwer, meine ideologischen Vorbehalte gegen die „doppelte Widerspruchslösung“ zu überwinden. Doch während ich diesen Artikel schreibe liegt irgendwo in Deutschland ein Mensch im Sterben, dem man als Gesellschaft helfen könnte. Das allein sollte Motivation genug für uns alle sein, uns wieder intensiver mit dem Thema „Organspende“ zu befassen.
Equal-Pay-Day – Ist die Lohndiskriminierung wirklich so hoch?
Sitzungswoche im Bundestag: Spannende Themen stehen auf der Agenda, doch keines hat mich so fasziniert, wie Equal-Pay. Die Diskussion wird nicht nur aktiv im Bundestag, sondern auch in der breiten Bevölkerung geführt. Äußerungen wie Frauen verdienen durchschnittlich weniger als Männer, Lohndiskriminierung beenden und Equal-Pay durchsetzen, überraschen nicht, wenn gleichzeitig auch der Equal-Pay-Day stattfindet. Ich frage mich, ob die Lohnunterschiede wirklich so drastisch sind oder ob das vielleicht sogar ganz andere Ursachen hat als Diskriminierung.
Während meines Praktikums im Bundestagsbüro von Markus Koob durfte ich sowohl an der Sitzung des Ausschusses für Familie, Senioren Frauen und Jugend teilnehmen als auch dem Plenum bei diesem Thema lauschen.
Spannend waren vor allem die Anträge der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die passend zum Equal-Pay-Day, eingereicht wurden. Beide stützen sich auf den vom Statistischen Bundesamt errechneten Lohnunterschied von 21 Prozent.
Als ich anfing, mich mit dem Thema näher zu beschäftigen, fiel mir auf, dass die Fraktionen mit ihren Äußerungen ein völlig falsches Bild des Arbeitsmarktes zeigen. Die Zahl 21 wird wie eine Mutmaßung einfach in den Raum gestellt, ohne näher erläutert zu werden. Sämtliche Medien publizieren Artikel mit falschen Äußerungen, ohne richtig auf die eigentliche Herkunft der 21 Prozent hinzuweisen.
Die Fraktionen begründen ihre Anträge damit, dass Frauen in Deutschland durchschnittlich 21% weniger als Männer verdienen. Damit wäre Deutschland Schlusslicht in der Europäischen Union. Wenn man allerdings Frauen und Männer mit wissenschaftlich korrekter Methode vergleicht, stellt man fest, dass eine maximale Lohnlücke von tatsächlich 2,3 bis 5,8 Prozent besteht. Diese Lohnlücke berücksichtigt nämlich zu Recht die Branche, Art der Tätigkeit, Berufserfahrung in Jahren, so wie eine mögliche Elternzeit. Damit kann nicht mehr ein 50 jähriger Vollzeit arbeitender Ingenieur („Birne“) mit einer 30 jährigen in Teilzeit arbeitenden Putzfrau und dreifachen Mutter („Apfel“) verglichen werden, um auf entsprechend hohe Werte, wie die 21 Prozent zu kommen. Mit den wissenschaftlich korrekten 2,3 bis 5,8 Prozent würde sich der Equal Pay Day auf den 08. Januar bis 22. Januar verschieben – von bisherig 18. März.
Wichtig ist in meinen Augen, den Bürgern und Arbeitnehmern klar zu machen, wie sich der Lohnunterschied zusammensetzt. Vor allem möchte ich deutlich machen, dass die Einkommensdifferenz von 21% nicht richtig hergeleitet und von Verbänden oder Parteien instrumentalisiert wird. Denn einer der Hauptgründe für solche Unterschiede liegt darin, dass die Erwartung an die Kindererziehung bei den meisten Frauen sehr hoch ist. Es kommt also dazu, dass sie zu Hause bleiben und sich um die Kindererziehung sowie Hausarbeit kümmern. Das hat weniger etwas damit zu tun, dass es nicht genug Krippenplätzen gibt, sondern der Tatsache, dass berufstätige Mütter die Kindererziehung nicht komplett in die Hände Anderer geben wollen. Frauen hätten also bei mehr Arbeit auch deutlich mehr Stress. Viele Frauen arbeiten daher in Teilzeit und machen wenige bis kaum Überstunden im Vergleich zu den Männern. Die Lohnerhöhung kommt hier meist den männlichen Beschäftigten zu Gute. Statistisch gesehen verzichten die meisten Mütter auf mehr als die Hälfte des Gehalts durch Elternzeit oder Teilzeit. Diese Punkte werden von den Antragstellern nicht berücksichtigt. Zusätzlich arbeiten viele Frauen im Karriere-entscheidenden Alter nur 60%. Dadurch fällt die Entscheidung über das Gehalt im Privatleben. Die Gehaltsunterschiede sind anfangs klein und treten erst ab ca. dem 30. Lebensjahr ein. Ein Alter, in dem die meisten berufstätigen Frauen Mütter werden.
Es ist in meinen Augen wichtig anzuerkennen, dass die Frauen keine Opfer ihrer Lebensgestaltung sind, sondern diese aktiv gestalten, weil sie das Aufwachsen der Kinder aktiv begleiten wollen oder der Vater nicht die Arbeit reduzieren möchte. Diese Entscheidung wird jedoch nicht erzwungen, sondern in Familien diskutiert. Wir können deshalb trotzdem nicht eine Frau, die sich für einen Lebensentwurf mit wenig beruflicher Arbeit und viel Familie entschieden hat, mit einem Mann, der vielleicht 40 Jahre Vollzeit arbeitet vergleichen. Das wäre weder der Frau noch dem Mann gegenüber gerechtfertigt.
Diese Tatsache ist unglaublich wichtig, um zu verstehen woraus der Lohnunterschied überhaupt resultiert. Es ist schlichtweg der falsche Weg mit Zwang gegen eine minimale Lohnlücke vorzugehen und sich vorher nicht mit den eigentlichen Tatsachen zu beschäftigen.
Zum Ende möchte ich deutlich darauf hinweisen, dass es lediglich einen ungeklärten Teil der Lohndifferenz von 2,3% gibt. Die Gründe für den Lohnunterschied sind Berufserfahrung (5,6%), Arbeitszeit (3,8%), Beruf/Branche (3,6%), Berufliche Stellung (3,4%), die Betriebsgröße (2,7%) und der sonstige Teil (1,5%). Die Zahl 21% resultiert aus diesen Gründen und vermittelt ein falsches Verständnis der Lohnungleichheit, die wie oben dargelegt bei weitem nicht so hoch ist.
Ich möchte auch kein falsches Bild über das statistische Bundesamt entstehen lassen und dass die Statistik des Amtes falsch ist, jedoch keine Elternzeit beachtet. So werden ein Mann mit 10 Jahren Berufserfahrung und eine Frau mit nur ein paar Jahren Berufserfahrung und Elternzeit verglichen.
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw12-de-lohndiskriminierung-628926
Beziehung zwischen Bevölkerung und Politik
Mir wurde gleich an meinem zweiten Tag des Praktikums die Möglichkeit eröffnet, an einer Arbeitsgruppensitzung der Union teilzunehmen. Ich hatte am ersten Tag die Einladung erhalten und sollte mir dieses Treffen am nächsten Morgen einmal ansehen. Am nächsten Morgen bedeutete in diesem Fall Beginn 8.00 Uhr; und mal lieber eine Viertelstunde früher da sein. Das ist für einen passionierten Langschläfer wie mich durchaus ein sportliches Unterfangen und da in Berlin die Wege etwas länger sind als andernorts, klingelte der Wecker doch so früh, dass es sich fast gelohnt hätte, die Nacht durch zu machen. Das Aufgabenfeld der Arbeitsgruppe (AG) erweckte auf den ersten Blick auch nicht unbedingt den Eindruck, als könne es mich zu solch früher Stunde bereits erwecken. Kommunalpolitik. Ich bin als junger und sehr politikbegeisterter Mensch natürlich sehr an den großen Themen unserer Zeit interessiert. Wie gelingt die Digitalisierung in Deutschland? Findet die Europäische Union eine gemeinsame Linie bei den Themen der Migrations- und Integrationspolitik? Wird die Weltgemeinschaft noch schnell genug auf den Klimawandel reagieren? Was machen die Briten? Was macht Trump? Das sind die großen politischen Fragen, die mich als kleinen Kosmopoliten so umtreiben. Und nun soll ich mich zu so einer Unzeit in eine Arbeitsgruppensitzung zur Kommunalpolitik setzen? Immerhin soll es auch um Windkraft gehen wie ich beim Überfliegen der Einladung erkannte. Der nächste Morgen brachte dann einige Erkenntnisse. Das Aufstehen gelang mir doch leichter als gedacht und so saß ich doch überaus pünktlich als einer der ersten im Sitzungssaal 4.900 des Paul-Löbe-Hauses.
Schwerpunkt der nun folgenden Sitzung war das Thema Akzeptanz von Windkraftwerken in der Bevölkerung und die Sitzung begann damit, dass Jens Köppen MdB aus der „Arbeitsgruppe Akzeptanz“ berichtete. Es ging im Folgenden nun viel um die Energiewende, Abstandsregelungen von Windrädern zur Besiedlung und Rodungen von Wäldern zur Erbauung von Windkraftanlagen und wie ein roter Faden zog sich durch all diese Themen das Thema Akzeptanz in der Bevölkerung. Im Kern der Debatte ging es darum, Maßnahmen zu ergreifen, die die Kommunen und die Menschen vor Ort mit einbeziehen. Die Abstandsregelung solle so gestaltet werden, dass die Lärmbelästigung gering bleibe und trotzdem weiter Windräder gebaut werden können, um das Ausbauziel von 65% erneuerbarer Energien bis 2030 erreichen zu können. Um hier Anreize zu schaffen könnten die Kommunen an den Einnahmen der gewonnen Energie besser beteiligt werden, so die Argumentation. Auch das Thema Netzausbau sei sehr entscheidend. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, dass Wälder für den Bau von Windrädern gerodet würden. Dies gelte es zu verhindern. Viele AG-Teilnehmerinnen und AG-Teilnehmer berichteten aus ihren Wahlkreisen und forderten, dass man die Politikerinnen und Politiker auf lokaler Ebene besser unterstützen und ihnen beispielsweise Argumentationshilfen an die Hand geben müsse, da die Diskussionen oft nicht mehr sachlich geführt würden.
Das bemerkenswerte an dieser Runde war, dass ich gemerkt habe wie wichtig es ist, dass sich die Politik bei ihren Entscheidungen immer wieder an den Menschen orientiert. Das bedeutet nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger immer über Einzelfragen entscheiden sollen. Dafür haben wir in Deutschland eine repräsentative Demokratie, damit ausschließlich „Profis“ oder FDP-Politiker über so wichtige Themen wie den Klimawandel entscheiden. Aber es bedeutet, dass nicht einfach über den Kopf der Bürgerinnen und Bürger hinweg entschieden werden darf. Gerade an der Debatte zum Klimawandel lässt sich sehr gut aufzeigen, wie es gehen kann, und wie nicht. So sind das Problem, dass sich unsere Erde erwärmt, und die Ursache, der Mensch, hinreichend bestimmt. Auch die Zielvorgabe, wie viel CO2 eingespart werden soll und welche Erwärmung höchstens erreicht werden darf, sind genauestens festgelegt und in Absichtserklärungen und internationale Verträge gegossen worden. Den großen Streitpunkt in der Diskussion stellt somit vor allem das „Wie?“ dar. Welche Lösung es denn sein soll, darüber wird zwischen den Parteien ganz emsig diskutiert. Und an dieser Stelle ist es eben sehr wichtig, die Bevölkerung dort abzuholen, wo sie sich befindet. Es hilft nicht weiter, einfach zu sagen, „So, wir haben jetzt die schlauesten Experten zu diesem Thema gefragt und das ist die Lösung. Die setzen wir jetzt um“. Es wäre andersrum auch falsch, die Bevölkerung zu fragen, dann festzustellen, dass diese sich gegen jede Mehrbelastung stemmt und sich für große wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen noch nicht bereit fühlt und dann einfach aufzuhören den Klimawandel zu bekämpfen. Beide Wege wären verfehlt und sind nicht der Weisheit letzter Schluss in unserer Demokratie. Die Politik muss hier Mittler sein, zwischen der Bevölkerung und möglichen Lösungen. Es geht darum, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger wahr- und aufzunehmen. Es müssen Strategien erarbeitet werden, wie die Bevölkerung von verschiedenen Ansätzen überzeugt werden kann. Und es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, wie sich Bürgerinnen und Bürger auf kleinster Ebene einbringen können, um an den Lösungen mitzuwirken. Manchmal sind die Gegebenheiten in einem Dorf sehr individuell und aus dem weit entfernten Berlin gar nicht einzuschätzen. Wie man den Wald am besten schützt und wo Platz für Windräder wäre, kann oft nur vor Ort entschieden werden. Politikerinnen und Politiker müssen für ihre Überzeugungen werben, aber sie müssen auch Freiheiten lassen, damit die Akzeptanz der Bevölkerung gewährleistet ist. Als mir eine Freundin, die bei einer Produktionsfirma arbeitet dann abends davon erzählte, dass sie gerade einen Bericht über ein Dorf gedreht hat, dass sich mit allen Mitteln gegen Windräder in der Gemeinde zu Wehr setzt, wurde mir noch einmal vor Augen geführt, wie allgegenwärtig dieses Thema ist.
Auch an anderer Stelle begegnete mir ein Beispiel, dass aufzeigt, welchen Einfluss die Gesellschaft und auch jeder Einzelne auf die politische Debatte haben kann. So wurde bei der Plenardebatte, der ich als Zuschauer beiwohnen durfte, in verschiedenen Diskussionen auf die „Fridays for Future“-Bewegung verwiesen. Nun ist es vollkommen egal, welche Haltung man zu diesen Protesten hat, zeigen doch die Reden im Parlament, von Ablehnung, sowie Diffamierung und Spott, über Anerkennung und Respekt bis hin zu Lob, dass diese Demonstrationen wahrgenommen werden und Reaktionen hervorrufen. Es wird deutlich: das lässt niemanden im Bundestag kalt. So kann eine aktive Zivilgesellschaft die Debatte beeinflussen.
Dass Politik für die Menschen gemacht werden sollte, klingt nun nicht wirklich nach einer bahnbrechenden Erkenntnis und könnte sicherlich auch in einer Informations- oder Werbebroschüre des Bundestages stehen, doch hat man manchmal in der Bevölkerung den Eindruck, dass die Politikerinnen und Politiker in Berlin mit einer gewissen Portion Skepsis beäugt werden und es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik in den letzten Jahren abgenommen hat. Es gibt regelmäßig Stimmen, nicht nur am rechten Rand des politischen Spektrums, die behaupten, die Politik orientiere sich nicht genug an den Bedürfnissen der Menschen.
Nun zeigt gerade eine Sitzung wie die, bei der ich das Vergnügen hatte teilnehmen zu dürfen, dass es auch anders geht. Egal, ob dieses Verhalten nun aus tatsächlicher Empathie und Überzeugung in der Sache oder schier in dem Wunsch der Wiederwahl begründet ist, genießt für die Politikerinnen und Politiker die Akzeptanz von Lösungen in der Gesellschaft ganz offensichtlich eine hohe Priorität. Sie erleben die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger in den eigenen Wahlkreisen und erkennen, dass es schwer ist, dagegen Politik zu machen.
Es war sehr interessant zu sehen wie sich ein solches Thema über alle Ebenen der politischen Landschaft erstreckt. Von den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort, über deren Vertreterinnen und Vertreter auf Stadt-, Kreis- und Landesebene, bis hin zur Fraktion und in die Mitte des Bundetages bei der Plenardebatte, wo dieses Thema ebenfalls wieder aufgegriffen wurde. Nur wenn all diese Ebenen ineinandergreifen, kann es gelingen wirklich erfolgreiche Politik zu machen. So simpel und klar diese Erkenntnis auch sein mag, so fundamental ist sie für das Gelingen von Politik.
Im Rahmen meines Schülerpraktikums saß ich in dem Ausschuss Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Mir ist aufgefallen, dass sich eine Abgeordnete, aus der Partei Bündnis 90/ die Grünen, beschwert hat, dass sie zu wenig Zeit bekommen hatte um ihre Frage in aller Sachlichkeit und Vollständigkeit auszuformulieren. Ich kann der Abgeordneten nur zustimmen, da sie im Gegensatz zu ihrem Kollegen, der vor ihr gesprochen hatte, maximal halb so viel Redezeit bekommen hatte. Ich denke dies ist eine nicht sonderlich gerechte Lösung. Jeder Abgeordnete sollte die gleiche Zeit bekommen, um seine Frage in aller Vollständigkeit auszuführen. Ich stelle mir die Frage warum man dafür nicht eine gute und einfache Lösung finden kann. Schließlich ist das der Deutsche Bundestag. Kurz darauf machte die Vorsitzende des Ausschusses einen guten und simplen Vorschlag. Sie sagte, dass die Redezeit einheitlich beschränkt werden müsste. Diese Idee gefiel mir gut. Wie im Plenum könnte man auch hier die Redezeit beschränken. Die wurde bei den Vorträgen schon eingeführt, jedoch noch nicht bei den Anschließenden Fragen. Aufgrund fehlender Zeit können die Abgeordneten in der 2. Fragerunde oft ihre Fragen nicht mehr vollständig ausführen. Wenn man eine Regelung einführt die besagt, dass eine Frage maximal 2 Minuten gehen darf, könnten sich alle Abgeordneten darauf einstellen und sich dem entsprechen vorbereiten. Diese Regel könnte auch vom Ausschuss zu Ausschuss individuell bestimmt werden. Je nachdem wie viel Zeit für einen Ausschuss geplant ist, kann diese Regel unterschiedlich von dem oder der Vorsitzenden Leiter/rinn bestimmt werden. Durch diese Regel würden keine Beschwerden aufkommen und der Ausschuss würde problemloser und Reibungsfreier ablaufen.
Microsoft, Amazon, Apple, Google und Facebook. Dies sind heute die mit Abstand wertvollsten Unternehmen. Alle sind noch relativ jung, aber haben es in kürzester Zeit geschafft, aus der Garage heraus zu Weltmächten zu werden. Diese Startups haben dadurch mehr als 500.000 Arbeitsplätze geschaffen und enorme Gewinne erzielt. Ähnliche Erfolge sind bisher in Deutschland leider ausgeblieben und im Moment halten Deutsche nur rund 1,4% der Anteile an den 30 größten Tech-Unternehmen der Welt. Darüber hinaus gibt es in Deutschland kein nennenswertes Unternehmen in Zukunftstechnologien, wie Cloudcomputing, bis auf SAP. Außerdem haben deutsche Traditionsunternehmen vermehrt begonnen, Arbeitsplätze zu reduzieren, um ihr Geschäft profitabler zu machen. Wie soll sich Deutschland diesem Trend nun widersetzen? Startups sind die Chance für Deutschland dies zu tun. Sie generieren Arbeitsplätze und bauen Marktanteile, besonders in Zukunftstechnologien, aus. Doch was muss Deutschland tun, um das Gründerklima zu verbessern, damit mehr erfolgreiche Startups in Deutschland entstehen?
Zunächst sollte man nicht vergessen, dass deutsche Startups durchaus schon Erfolge verbuchen konnten. Unternehmen wie Zalando, Delivery Hero oder GetYourGuide haben alle Bewertungen von mehr als einer Milliarde Euro und können erfolgreich expandieren. Außerdem haben deutsche Startups bereits mehr als 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen. Doch leider hat dies auch einen Haken. Da es in Deutschland keine großen Wagniskapitalgeber gibt, kommen die Gelder oft aus dem Ausland, wodurch ausländische Firmen Einfluss auf unsere Startups nehmen oder diese teilweise dazu zwingen, ihre Firmenzentrale ins Ausland zu verlegen. Damit dies nicht mehr passiert und national mehr Startups erfolgreich expandieren können, versucht der Bundestag derzeit konkrete Lösungen zu finden.
Diesbezüglich habe ich an der 47. Sitzung des Finanzausschusses teilgenommen, welche unter dem Tagesordnungspunkt „Gründerrepublik Deutschland- Zukunft finanzieren, Finanzstandort Frankfurt stärken“ stattfand. Teilgenommen haben viele Experten und Brancheninsider wie der Bundesverband Deutsche Startups e.V., die KfW-Gründerplattform sowie Professoren von der KIT und der RWTH Aachen. Alle waren sich einig, dass es in Deutschland einen akuten Handlungsbedarf gibt, um die Startup Kultur in Deutschland zu verbessern und zu fördern.
Zunächst müssen viele Prozesse vereinfacht werden. Zurzeit dauert es mehr als eine Woche ein Startup anzumelden und es ist nötig, viele verschiedene Ämter anzulaufen. Darüber hinaus verläuft dies oft offline, was Gründer bereits vor der Gründung vor die ersten bürokratischen Hürden stellt. Außerdem müssen junge Unternehmen oft sehr viele Informationsplichten und Ähnliches leisten. Dies muss deutlich vereinfacht werden. Eine mögliche Lösung dafür wäre eine Online Plattform, welche alle diese bürokratischen Schritte vereint, wodurch bereits die ersten Hürden, ein Startup zu gründen, wegfielen.
Wenn alle bürokratischen Hürden überwunden sind, funktionieren Gründungen zunächst sehr gut in Deutschland. Frisch gegründete Unternehmen brauchen zunächst ein gewisses Startkapital, welches sich oft auf bis zu 5 Millionen Euro erstreckt. Dafür gibt es in Deutschland viele Möglichkeiten, sei es die KfW-Gründerplattform, welche sehr gut über die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten informiert und zudem auch Förderkredite anbieten kann. Ein anderes Programm, namens „EXIST“, unterstützt zudem besonders Firmengründungen aus Universitäten heraus. Dies ermöglicht es vielen jungen Leuten erfolgreich ein Unternehmen zu gründen. Aber wenn es nun genug Hilfe beim Gründen von Unternehmen gibt, warum schaffen es dann trotzdem viele nicht, zu expandieren?
„Das Problem ist, dass in Deutschland nur sehr wenige Menschen bereit sind, Risikokapital (…) zur Verfügung zu stellen.“ ([D. Hopp, SAP-Gründer, Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 10.3 2019). Und zu diesem Schluss kommt nicht nur Dietmar Hopp, sondern auch der Finanzausschuss. Nachdem Unternehmen erfolgreich in Deutschland gestartet sind und national bereits expandieren konnten, wird häufig sehr viel mehr Kapital in oft 2 oder 3 stelligen Millionensummen benötigt, um auch international zu expandieren. Dies ist in Deutschland, sowie in Europa leider sehr schwer zu bekommen. Diese benötigte Wachstumsfinanzierung fällt im Vergleich zu den USA im Durchschnitt 38% kleiner aus sowie im Vergleich zu Asien 73% kleiner. Dadurch fehlt deutschen Unternehmen oft das nötige Kapital, um sich international gegen Konkurrenten durchzusetzen.
Ein bekanntes Beispiel dafür ist das Berliner Startup Soundcloud. 2007 gegründet, soll es Musikern und Künstlern völlig neue Möglichkeiten geben Musik hochzuladen und zu verbreiten. Dies war national, sowie auch international ein großer Erfolg. Doch trotz dieses großen Erfolges stand Soundcloud Mitte 2017 kurz vor der Insolvenz. Dies liegt an dem fehlenden Kapital, welches der Gründer Alexander Ljung, in Deutschland nicht auftreiben konnte. Am Ende übernahmen dann eine Investmentgesellschaft aus Singapur sowie eine Boutique Bank aus New York große Anteile und retteten somit Soundcloud. Doch dadurch musste unter anderem der Gründer seine Position als CEO verlassen und nun ist das einst deutsche Startup vermehrt in internationaler Hand.
Ein weiteres gutes Beispiel ist GetYourGuide. Dies ist ein Startup mit Sitz in Berlin, welches weltweit die größte Online Buchungsplattform für Touren und Freizeitaktivitäten ist. Dieses Unternehmen hat es erfolgreich geschafft zu wachsen, doch leider kommt auch hier die Wachstumsfinanzierung aus dem Ausland. Zuletzt waren dies im Mai 2019 484 Millionen Dollar aus Japan, aus Singapur, auch aus Skandinavien sowie aus einem europäischen Fond. Dies zeigt, wie schwer es ist in Deutschland an genügend Kapital zu kommen, wodurch Gründer auch oft direkt gar nicht in Deutschland gründen, sondern direkt in das Silicon Valley gehen.
Um nun auch Deutschland deutlich attraktiver für Gründer zu machen, müssen also viele nationale Fonds genug Wagniskapital anbieten. Erst dann werden in Deutschland auch viele Startups entstehen. Genau dies war auch der Vorgang im Silicon Valley. Zunächst waren die Wagniskapitalgeber präsent und erst danach haben Unternehmen wie Microsoft, Amazon.com, Facebook, Twitter, Instagram und Skype sich dort niedergelassen. Dies zeigt wie wichtig es ist, in Deutschland genug Wagniskapital bereitzustellen.
Um dieses Kapital bereitzustellen, lässt sich erneut das Silicon Valley als Beispiel nehmen. In den USA sind die größten Geldgeber für Startups Pensionsfonds. In Deutschland hingegen sind diese nur die fünft größten Geldgeber für Wagniskapital. Der Grund dafür ist, dass es vielen Deutschen zu riskant scheint in Startups zu investieren. Sie assoziieren junge Unternehmen oft mit einer Blase, wie es die Dotcom Blase war, und erwarten deswegen, dass diese Unternehmen bald alle drastisch an Wert verlieren werden. Doch im Vergleich zu der Dotcom Blase haben deutsche Startups solides Wachstum und gute Gewinnaussichten. Um nun also mehr Pensionsfonds, Versicherungen und auch Family Offices zu gewinnen müssen sogenannte Dachfonds errichtet werden, welche das Risiko eines Verlustes stark minimieren.
Es ist üblich, dass Wagniskapitalfonds oft auch in Unternehmen investieren, welche insolvent gehen, wodurch das eingesetzte Kapital verschwindet. Dies geschieht sogar in den meisten Fällen. Dies ist aber kalkuliert und häufig kann ein erfolgreiches Unternehmen den Verlust der anderen Unternehmen ausgleichen und somit für den Fonds Gewinn erzielen. Dies birgt natürlich ein gewisses Risiko, aber wenn nun Fonds aufgesetzt werden, die viele dieser Wagniskapitalfonds beinhalten wird das Risiko erneut stark reduziert, aber die Gewinnchanen bleiben immer noch sehr hoch. Diese Art der Fonds werden Dachfonds genannt. Dies könnte auch große, eher defensive Geldgeber dazu verleiten, mehr Geld für Wachstumsfinanzierung bereitzustellen. Deswegen ist es wichtig, dass mehr sogenannte Dachfonds entstehen und dass die Kommunikation mit den großen Pensionfonds und Versicherungen gesucht wird, damit diese ihr Kapital entweder in eigene Wagniskapitalfonds stecken oder es an Dachfonds weitergeben. 2018 haben die Amerikaner mit 49,58 Milliarden Euro mehr als 10 fach so viel in Startups investiert als wir in Deutschland (4,59 Milliarden), wodurch es eindeutig wird, wie wichtig Pensionsfonds für deutsche Startups werden können.
Dieser Prozess beginnt langsam und auch durch die Bündelung der Förderinstrumente mit der Gründung einer KfW Capital im Jahr 2018, wurden die nächsten wichtigen Schritte getan, wodurch nun bis 2020 jährlich 200 Millionen Euro mehr Wagniskapital zur Verfügung gestellt werden. Hilfreich wären nun auch vermehrt Steuererleichterungen, die es auch Privatpersonen attraktiver machen, ihr Vermögen in junge Unternehmen direkt oder indirekt über Fonds zu stecken. Auch das Fachkräftezuwanderungsgesetz könnte eine sehr positive Wirkung auf Startups in Deutschland haben. Schon heute sind 50% der Angestellten in Startups nicht aus Deutschland und durch noch mehr Zuwanderung, besonders in der IT-Branche, könnten viele Unternehmen noch schneller expandieren. Trotz allem fehlen jährlich 600-700 Million Euro Wagniskapital in Deutschland.
Abschließend kann man sagen, dass noch Vieles in Deutschland getan werden muss, damit sich Deutschland zu einer Gründerrepublik entwickelt. Besonders für Startups in der Wachstumsphase müssen Fonds aufgesetzt werden, die das nötige Kapital bereitstellen können. Dies bietet Startups die Chance, auch über nationale Grenzen hinweg zu wachsen. Zudem sind erfolgreiche Startups die Jobgaranten der Zukunft, welche die Jobausfälle in den klassischen Industrien kompensieren werden. Deswegen sind Startups für die deutsche Zukunft von enormer Relevanz und daher haben die dazu nötigen Prozesse zur Transformation in eine Gründerrepublik bereits begonnen. Dies geschieht noch jedoch zu langsam!
Indiens Afrikapolitik-Eine Chance für Deutschland?
Während meines Praktikums erhielt ich die Aufgabe, mich näher mit Indiens Afrikapolitik auseinanderzusetzen, da Markus Koob Berichterstatter für Indien sowie West- und Zentralafrika im Auswärtigen Ausschuss ist. ,,Indiens Afrikapolitik“ klingt erst einmal sehr speziell und zugleich sehr weit weg. Die öffentliche Debatte dreht sich doch auch eigentlich um ganz andere außenpolitische Themen. Ich nenne nur die Stichworte Donald Trump, Brexit, EU und China. Und dann ,,Indiens Afrikapolitik“? Da stellte ich mir zuerst die Frage: ,,Gibt es nicht Interessanteres?“
Doch je mehr ich mich mit der Thematik auseinandersetzte, wuchs mein Interesse. Ich stellte fest, dass dieses Themenfeld für Deutschland von großer politischer Bedeutung ist. Einzelne Aspekte, die ich anfangs nicht mit dem Thema in Verbindung gebracht hatte, spielen eine wesentliche Rolle, sodass sich am Ende ein schlüssiges Gesamtbild ergab.
Welche Beweggründe Länder in ihrer Außenpolitik leiten, empfinde ich als äußerst interessant. So haben Deutschland und Indien völlig unterschiedliche Motive für ihr Engagement in Afrika, aber trotzdem ein gemeinsames Interesse, sodass eine gemeinsame Kooperation als sehr sinnvoll zu bewerten ist.
Deutschlands Präsenz in Afrika ist auf die Verbesserung der dortigen Situation hinsichtlich der Menschenrechte, der Gesundheitsversorgung, der Ernährungssicherheit, des Aufbaus demokratischer Strukturen und vielem mehr ausgerichtet. All das, um Fluchtursachen zu bekämpfen und die Migration nach Europa einzudämmen, und zwar, um eine gesellschaftliche Befriedung wieder herzustellen vor dem Hintergrund, dass die Integrationsfähigkeit eines Landes nicht endlos ist. So ist das eigentliche Anliegen kein moralisches, sondern ein Selbstzweck. Denn warum bemüht sich Deutschland seit der Flüchtlingskrise in einer solchen Intensität um Afrikas Stabilität? Es wäre zwar falsch zu behaupten, dass Deutschland zuvor nichts getan hätte, aber zumindest weniger.
Und ja, um dies klarzustellen, ich halte es für legitim aus solchen Gründen zu handeln. Es hätte nur deutlich früher beginnen sollen. Denn trotz der enormen Entfernung hat dies Auswirkungen auf unser Zusammenleben in Deutschland.
Indien wiederum engagiert sich in Afrika aus völlig anderen Gründen. Nämlich, um als Gegengewicht gegenüber China aufzutreten und um eine einseitige Abhängigkeit Afrikas von China durch eine steigende Verschuldung zu verhindern. Indischen Entscheidungsträgern ist allerdings völlig bewusst, dass Indien keine ernsthafte Konkurrenz für China darstellt. China ist für Indien wirtschaftlich und politisch viel zu mächtig, um selbst ein starker Gegenspieler zu sein.
China etwas entgegenzusetzen, kann ebenfalls nur im deutschen Interesse sein, denn Chinas extreme Dominanz kann für Deutschland gleichermaßen zur Bedrohung werden. Hierfür ist die größte Demokratie der Welt als Verbündeter sehr geeignet.
Des Weiteren strebt Indien nach einem ständigen Sitz in den Vereinten Nationen, wofür das starke Stimmengewicht der afrikanischen Staaten hilfreich wäre. Außerdem sollte man nicht außer Acht lassen, dass Indien seinen globalen Führungsanspruch, durch seine verstärkten Beziehungen, auch auf dem afrikanischen Kontinent, untermauern möchte. Das Engagement ist hierfür unabdingbar. Indien strebt im gleichen Maße nach mehr Unabhängigkeit vom Nahen und Mittleren Osten im Hinblick auf Energielieferungen. In Indien ist ein steigender Energiebedarf zu beobachten, mitunter aufgrund der stark ansteigenden Bevölkerungszahl.
Das sichtbarste Zeichen für Afrikas gestiegenen Stellenwert sind die indisch-afrikanischen Gipfeltreffen. So nahmen beispielsweise am ersten Gipfeltreffen im Jahr 2008 lediglich 14 afrikanische Staaten teil. Bis zum letzten Treffen wuchs die Zahl der Teilnehmer auf über 40 afrikanische Staaten an, was zugleich für Indien ein großer diplomatischer Erfolg war.
Die Vereinbarungen der Gipfeltreffen, unter anderem die Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, wurden anschließend auch in die Tat umgesetzt. So folgte ein starker Anstieg des Handelsvolumens zwischen Indien und dem gesamten afrikanischen Kontinent. Im Jahr 2005 betrug dieses noch 5,3 Mrd. US-Dollar und stieg bis ins Jahr 2013 auf etwa 70 Mrd. US-Dollar an. Doch seitdem ist das Handelsvolumen wieder rückläufig. Es sank bis ins Haushaltsjahr 2015/16 auf knapp 52 Mrd. US-Dollar. Darüber hinaus entwickelte sich aus Sicht Indiens ein Handelsdefizit gegenüber Afrika von etwa 6,6 Mrd. US-Dollar von zuvor im Jahr 2005/06 einem Handelsüberschuss von 2,1 Mrd. US-Dollar. Die gestiegenen Öl- und Rohstoffpreise gelten hierfür als Hauptursache.
Um die deutsch-indische Partnerschaft weiter zu vertiefen, bieten sich afrikanische Staaten als passende Drittstaaten an. Solche Dreieckskooperationen bedeuten für alle drei Beteiligten eine ,,Win-Win-Situation“. So könnten auf der einen Seite wirtschaftliche Vorteile für Indien, Deutschland und dem jeweiligen afrikanischen Staat entstehen und gleichzeitig kann Indien seinen globalen Einfluss erhöhen, Deutschland Fluchtursachen bekämpfen und der entsprechende afrikanische Staat gäbe seinen Bürgern eine bessere Lebensperspektive in ihrer Heimat.
Als positives Beispiel für eine Zusammenarbeit in Drittstaaten ließe sich die britisch-indische Kooperation, die etwa in den Bereichen Energie, Gesundheit und Ernährungssicherheit in afrikanischen Drittstaaten engagiert ist, nennen. Oder auch der mit Japan geplante ,,Asia Africa Growth Corridor“ kann als weiteres Beispiel für Dreieckskooperationen dienen.
Aus meiner Sicht zeigt Indiens Afrikapolitik, dass dieses auf den ersten Blick als nebensächlich erscheinendes Thema, doch sehr bedeutend für Deutschland ist. Daher sollte Deutschland, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des chinesischen Aufstrebens, aktiv eine engere Zusammenarbeit mit Indien in Drittstaaten als Ziel verfolgen. Die Position Indiens in Südostasien zu stärken, ist nach meiner Auffassung klar im deutschen Interesse.