Markus Koob MdB

Abstimmung über das dritte Griechenlandpaket

Meine Persönliche Erklärung

Am 19. August 2015 hat der Deutsche Bundestag über ein drittes Hilfsprogramm für Griechenland entschieden. Wie bei meinen bisherigen Abstimmungen zu diesem Thema erläutere ich auch in diesem Fall mein Abstimmungsverhalten:

Kaum ein Thema ist in den letzten Monaten so emotional und kontrovers diskutiert worden wie die politische Situation in Griechenland und die daraus entstehenden Konsequenzen. Im Februar 2015 hatte der Deutsche Bundestag einer Verlängerung des zweiten Hilfsprogramms um vier Monate zugestimmt, in der Hoffnung und Erwartung, dass diese zusätzliche Zeit von der neu gewählten linksgerichteten griechischen Regierung dazu genutzt wird, zwingend notwendige Reformen zu beschließen. Geschehen ist in dieser Zeit wenig. Das Handeln der Regierung Tsipras war von Ankündigungen, Tricksereien und nicht eingehaltenen Zusagen bestimmt. Begleiter wurde dieses Verhalten von wüsten Beschimpfungen insbesondere Deutschlands, das für seine harte Haltung teilweise auf nicht akzeptable Art und Weise kritisiert worden ist. Den vorläufigen Höhepunkt erreichte dieses Verhalten mit einer Volksabstimmung, in der die griechische Regierung ihr Volk dazu aufforderte, die von den europäischen Geldgebern verlangten Reformen abzulehnen. Das zweite Hilfsprogramm wurde auf diese Art und Weise nicht ordnungsgemäß abgeschlossen.

In dieser Phase haben mich viele besorgte Bürgerinnen und Bürger dazu aufgefordert, Griechenland keine weiteren Hilfen zukommen zu lassen und stattdessen ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone zu fordern. Auch ich habe in dieser Phase keinerlei Grundlage für weitere Hilfen gesehen.

In einer dramatischen Zuspitzung auf dem Gipfeltreffen der Finanzminister in Brüssel Mittel Juli wurde von Finanzminister Wolfgang Schäuble daher als Alternative ein zeitlich befristeter, freiwilliger Austritt Griechenlands aus der Eurozone vorgeschlagen. Von 15 der 19 Finanzminister wurde dieser Vorschlag unterstützt. Da es keinerlei rechtliche Möglichkeiten gibt, ein Land mit einer Mehrheitsentscheidung aus der Eurozone zu verbannen, ist der freiwillige Weg der einzig mögliche.

Bereits im Zusammenhang mit der Abstimmung über die Aufnahme von Verhandlungen zu diesem dritten Hilfspaket habe ich diesen Vorschlag ausdrücklich begrüßt und halte ihn insbesondere mit Blick auf die Schuldentragfähigkeit Griechenlands für einen wirtschaftlich alternativen Weg. Griechenland hätte mit der Wiedereinführung der Drachme oder einer Parallelwährung (auf Zeit) Möglichkeiten zum Schuldenabbau erhalten, die bei einem Verbleib in der Eurozone nicht möglich sind.

An Frankreich, Italien, Zypern und Griechenland ist dieser Vorschlag letztlich gescheitert. Dennoch sehe ich es als einen großen Verdienst von Finanzminister Wolfgang Schäuble an, dass diese Option erstmals auch offiziell in die Verhandlungen eingebracht worden ist. Auch wenn er nicht die notwendige Einstimmigkeit erhalten hat, so ist es doch eine bemerkenswerte politische Leistung, 14 andere Länder der Eurozone für einen solchen Vorschlag gewinnen zu können.

Während dieser Vorschlag kein Einvernehmen erzielen konnte, fiel damals der Beschluss, stattdessen Verhandlungen mit Griechenland über ein Hilfsprogramm mit erheblich verschärften Bedingungen aufzunehmen. Ich habe der Aufnahme von Verhandlungen zugestimmt. Wie in meiner persönlichen Erklärung zur damaligen Abstimmung ausgeführt, hätte ich schon die bloße Verweigerung von Verhandlungen als falsches und vor allem als ein Deutschland isolierendes Zeichen angesehen. Dennoch habe ich was die Inhalte und vor allem was die Vertrauenswürdigkeit der Zusagen der griechischen Regierung angeht mit ausgesprochener Skepsis zugestimmt.

Die griechische Regierung hat mit ihrem Verhalten der letzten Monate unvorstellbar viel Vertrauen bei den europäischen Partnern und bei uns Abgeordneten zerstört. Es war deshalb zwingend notwendig, das die griechische Regierung bereits im Vorfeld einer Entscheidung über ein Hilfsprogramm in Vorleistung geht und weitrechende Reformen beschließt. Der heutigen Abstimmung im Bundestag sind in nunmehr drei Schritten zahlreiche der Voraussetzungen des Hilfsprogramms bereits vorab umgesetzt. Eine komplette Übersicht dieser rund 50 Maßnahmen und deren Umsetzungsstand können Sie auf meiner Homepage am Ende meiner persönlichen Erklärung sehen. Wesentliche Bestandteile dieser bereits beschlossenen Maßnahmen sind:

- Der Umbau des Renten- und Gesundheitswesens mit einer schrittweisen Rückführung von Frühverrentungsmöglichkeiten und Ausnahmen zum gesetzlichen Renteneintritt mit 67 Jahren

- Die Schaffung eines unter Aufsicht von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) stehenden Privatisierungsfonds bis Ende 2015

- Die Modernisierung des Steuerrechts und der Steuererhebung

- Die grundlegende Modernisierung der Regulierung von Arbeits- und Produktmärken zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit

- Die Liberalisierung der staatlichen Regulierung der Sektoren Energie, Transport und Wasser

- Fortsetzung von Reformen im öffentlichen Finanz- und Beschaffungswesen

Das Hilfsprogramm enthält somit nicht nur Reformauflagen für den Finanzsektor, sondern für alle zentralen Bereiche des griechischen Staatswesens. Dies ist zwingend notwendig, denn Griechenland verfügt in vielen Bereichen über kein effizientes Staatswesen.

Das Hilfsprogramm umfasst 86 Milliarden Euro. Ein Großteil davon fließt in die Bedingung von Krediten und Schulden. Die Auszahlung erfolgt in mehreren Schritten und erst NACH einer jeweilig erfolgten Überprüfung, ob die vereinbarten Reformen von Griechenland auch wirklich umgesetzt worden sind. Erfolgen diese Reformen nicht, fließt auch kein Geld.

In Verhandlungen der Finanzminister der Eurozone am vergangenen Freitag hat Finanzminister Wolfgang Schäuble zusätzliche Verschärfungen der Reformauflagen erreicht. So wurde u.a. der Start des Privatisierungsfonds vorgezogen und auch die Begrenzung auf die Zahlung von 26 Milliarden Euro in einem ersten Schritt statt der von anderen Ländern geforderten 43 Milliarden wurde verankert, um so den Reformdruck auf die griechische Regierung aufrecht zu erhalten. Die Vereinbarung, das sogenannte Memorandum of Understanding (MoU), wurde anschließend einstimmig von den Finanzministern der Eurozone gebilligt. Alle Beteiligten berichten davon, dass sich die Verhandlungsführung der griechischen Regierung massiv geändert habe und die griechische Regierung verstanden habe, dass die einzige Alternative zur Umsetzung von Reformen das Verlassen der Eurozone ist.

Für mich als Abgeordneten stand nun die Frage der Bewertung des Verhandlungsergebnisses an. Die weitere Entwicklung Griechenlands ist mit vielen Fragezeichen verbunden. Zwischen den europäischen Partnern und dem IWF gibt es erkennbare Unterschiede in der Beurteilung der Schuldentragfähigkeit Griechenlands. Die weitere Beteiligung des IWF an dem Hilfspaket bleibt aber wesentliche Voraussetzung. Nach einer ersten Überprüfung der eingeleiteten Reformen im Herbst wird die Auszahlung weitere Tranchen des Hilfspakets nicht nur von der tatsächlich erfolgten Umsetzung, sondern zwingend auch der Beteiligung des IWF abhängen. Als Voraussetzung hierfür hat der IWF Veränderungen im Rentensystem und im Bankensektor sowie eine Verbesserung der Schuldentragfähigkeit Griechenlands erklärt, seine Bereitschaft im Grundsatz aber bereits zu Protokoll gegeben. Finanzminister Wolfgang Schäuble hat für die Bundesregierung die Beteiligung des IWF als unabdingbar erklärt und einen Schuldenschnitt ausgeschlossen.

Die Zweifel in die Vertrauenswürdigkeit der griechischen Regierung bleiben, trotz der bereits beschlossenen und umgesetzten Maßnahmen. Viele der wirtschaftlichen Einschätzungen und Bedenken der Kritiker eines weiteren Hilfspakets teile ich. Und dennoch habe ich in den intensiven Diskussionen keine überzeugende Antwort auf die Frage finden können, worin eine verantwortungsvolle Alternative zu diesem Hilfsprogramm besteht. Es wäre naiv zu glauben, dass ein Nein des Deutschen Bundestags zu diesem Hilfsprogramm zu einem Grexit führen würde – unabhängig davon, ob man diesen wünscht oder nicht. Während bei dem EU-Gipfel im Juli 15 Länder einen solchen Schritt für möglich gehalten haben, sind alle Finanzminister nun zu dem Ergebnis gekommen, dass das vorliegende Memorandum of Understanding eine ausreichende Grundlage für ein neues Hilfsprogramm ist. Ein alleiniges und isoliertes Nein des Deutschen Bundestages bei Zustimmung aller anderen Länder würde dazu führen, dass es eine substanzielle Krise der Eurozone gäbe mit Deutschland auf der einen Seite und Frankreich auf der anderen Seite. Die Option eines (zeitlich befristeten) Grexit ist für den Fall, dass Griechenland sich neuerlich nicht an die Vereinbarungen halten sollte, als Option weiter in der Schublade, aktuell aber gibt es hierfür nicht annähernd eine Mehrheit. Auch die baltischen Länder, auch die Slowakei und Slowenien – die in den Verhandlungen ebenfalls eine sehr harte Haltung eingenommen haben – halten das MoU für eine tragfähige Basis.

Wie in meiner persönlichen Erklärung zur Aufnahme der Verhandlungen ausgeführt, darf es nicht passieren, dass Deutschland in dieser Frage isoliert wird. Es war das Kalkül der griechischen Regierung, die Eurozone zu spalten. Das ist ihr erkennbar nicht gelungen. Bis heute ist es vor allem das Verdienst von Wolfgang Schäuble, die harte Haltung der Eurozone gegenüber Griechenland aufrecht zu erhalten.

Der Kern von Politik besteht nicht darin, Wünsche zu formulieren, von denen ich weiß, dass sie nicht umsetzbar sind. Der Kern von Politik besteht darin, das bestmögliche zu erreichen unter gegebenen Rahmenbedingungen. Europa hat noch nie und wird auch nie so funktioniert, dass ein Land entscheidet. Europa hat immer bedeutet und wird immer bedeuten, dass die Fähigkeit zur Kompromissfindung notwendig ist. Dies gilt umso mehr, als dass wir in den nächsten Monaten Herausforderungen lösen müssen, die für die Zukunft Europas bedeutender sind. Wir alle erleben derzeit, vor welch schwierige Herausforderungen uns der Zustrom von Flüchtlingen stellt. Diese Herausforderung kann nur europäisch gelöst werden. Auch hier wird es Kompromisse, gemeinsam ausgehandelte Lösungen geben müssen. Wäre ein einseitiges Nein von Deutschland für ein Hilfsprogramm für Griechenland hilfreich für diese Verhandlungen?

Deutschland ist unter der Verhandlungsführung von Bundeskanzlerin Merkel und Wolfgang Schäuble bis an die Grenze dessen gegangen, was unsere europäischen Partner mitzutragen bereit sind. Ohne diese harte und unnachgiebige Haltung wäre ein so ambitioniertes Reformprogramm nicht möglich gewesen. Das Reformprogramm enthält Auflagen, die bisher kein anderes Land im Zuge der Hilfsprogramme erfüllen musste. So bedeutet die Auflage, dass Griechenland künftig finanzrelevante Gesetze im Vorfeld der Einbringung von EU-Kommission, IWF und EZB überprüfen lassen muss, einen beispiellosen Eingriff in die Souveränität eines Landes. Wäre es verantwortungsvolle Politik, Griechenland zu all diesen Zugeständnissen zu zwingen und dann bei der Abstimmung über ein Hilfspaket mit nein zu stimmen?

In der Abwägung aller Fakten, der wirtschaftliche und politischen Aspekte dieser Entscheidung bin ich daher zu dem Ergebnis gekommen, dem Hilfsprogramm zuzustimmen.