Meine Stellungnahme zu den Ergebnissen der Koalitionsverhandlungen
Der nun vorliegende Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD stellt den vorläufigen Abschluss einer schwierigen Regierungsbildung nach der Bundestagswahl vom 24. September 2017 dar. CDU und CSU haben bei dieser Wahl über 8 Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Wahl verloren. Ein Koalitionsvertrag muss deshalb nach meiner Überzeugung die richtigen Konsequenzen aus dem Votum der Wählerinnen und Wähler ziehen und die richtigen Konzepte für die Herausforderungen der nächsten Jahre aufzeigen.
Die in dem Vertrag vereinbarten Inhalte und die festgelegte Ressortverteilung werden aktuell intensiv diskutiert, weshalb ich mir einige erläuternde und kommentierende Anmerkungen erlaube.
Während des Wahlkampfes, aber auch schon während der gesamten vergangenen Legislaturperiode, habe ich unzählige und teils sehr ausführliche Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern, Parteimitgliedern und Interessengruppen in meinem Wahlkreis geführt. So unterschiedlich wie die Menschen waren auch deren Anliegen und Erwartungen an die Politik - trotz oder gerade wegen der insgesamt hervorragenden wirtschaftlichen Lage unseres Landes.
Auch wenn für viele Menschen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung nach wie vor ein sehr bedeutsames Thema ist, haben viele andere Themen eine mindestens genauso wichtige Rolle gespielt: die angespannte Wohnraumsituation speziell in unseren Ballungsräumen, die Entwicklung der Rente heute und in Zukunft, die Angst vor Altersarmut und die Bekämpfung von Kinderarmut, die ärztliche Versorgung gerade in ländlichen Regionen, Verbesserungen bei der Pflege, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Sorge vor Kriminalität, die Ausstattung unserer Sicherheitsbehörden, die abstrakten Folgen der Digitalisierung für das Leben jedes einzelnen, die Zukunft von Europa in wirtschaftlicher, aber auch in außen- und sicherheitspolitischer Hinsicht, sowie die bessere bauliche und technische Ausstattung von Schulen.
Man mag die Bereitstellung von Geld für diese Themen als Sozialdemokratisierung, als links-Kurs der Union verunglimpfen. Einen Satz habe ich in all den Gesprächen aber nie gehört: wir brauchen mehr Ordnungspolitik, der Staat soll sich aus all diesen Fragen heraus halten. Die in vielen Bereichen berechtigte Erwartung ist viel mehr, dass es der Politik gelingt, Antworten und Konzepte für diese Fragen zu finden. „Wohlstand für alle“ war nicht der Wahlkampfspruch irgendeiner Partei, sondern der CDU, der Partei Ludwig Erhards, der Partei, welche die soziale Marktwirtschaft geprägt hat. Darum geht es auch heute wieder.
Die Rahmenbedingungen dabei sind klar: wir sind ein wirtschaftlich starkes Land, das in hohem Maße von einem innovativen Mittelstand lebt, der auch im Bereich der Ausbildung den Löwenanteil zur Weiterentwicklung junger Menschen in einem rohstoffarmen und deshalb in besonderer Weise auf Bildung und Forschung angewiesenem Land trägt. Wir bilden eine immer älter werdende Gesellschaft, in der immer weniger junge Menschen immer vielfältigere Herausforderungen der Zukunft tragen müssen für ein Land, das inmitten eines Europas liegt, das nur wenige Flugstunden von den allermeisten Kriegs- und Konfliktregionen dieser Erde entfernt liegt und in den letzten Jahren erkennen musste, dass Frieden keineswegs so selbstverständlich ist, wie die allermeisten Menschen geglaubt haben.
Kurz: Wir leben in einem international angesehenen, wirtschaftlich starken Land, in dem es den allermeisten Menschen so gut wie nie zuvor geht, ohne dass dabei diejenigen außer Blick geraten dürfen, auf die dies nicht zutrifft. Es ist nicht gottgegeben, dass wirtschaftliche Stärke, Wohlstand und Frieden in unserem Land dauerhafte Zustände sind. Vielmehr brauchen wir dafür ein starkes, handlungsfähiges Europa, eine seriöse und stabile Finanzpolitik, eine Steuerung von Einwanderung, eine Stärkung unserer Sicherheitskräfte, die konsequente und innovative Nutzung der Chancen der Digitalisierung und eine wirksame Förderung von Forschung und Bildung – all das enthält der nun ausgehandelte Koalitionsvertrag.
Im Bereich der Migrationspolitik hat sich die Union mit all ihren Forderungen durchgesetzt: die Zuwanderung wird weiter begrenzt und gesteuert, der Anspruch auf Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige wurde im Deutschen Bundestag bereits abgeschafft. Zudem findet eine Prüfung der Anträge künftig bereits in Einrichtungen an der Grenze statt, eine Verteilung von Menschen ohne Bleibeperspektive auf die Kommunen findet nicht mehr statt und sorgt so für die notwendige Entlastung. Ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll die Einwanderung von benötigten Fachkräften in unser Land zusammenfassend regeln.
Im Bereich der Finanzpolitik werden am Ende der Legislaturperiode 90 Prozent derjenigen, die heute Solidaritätszuschlag zahlen müssen, von dem Zuschlag befreit sein. Neue Schulden und die Erhöhung von Steuern wird es auch in der kommenden Wahlperiode mit der Union nicht geben. Die kalte Progression wurde bereits in der letzten Legislaturperiode abgeschafft und bleibt abgeschafft. Der Verlust des Finanzministeriums ist in diesem Zusammenhang ein herber Schlag. Insbesondere mit Blick auf die Verhandlungen in Europa ist aber sichergestellt, dass es keine Entwicklung zu einer Transfer- und Schuldenunion geben wird. Auch das Finanzministerium unterliegt der Richtlinienkompetenz des Kanzleramtes und kann daher keine europapolitischen Alleingänge unternehmen – insbesondere auch deshalb, weil die Zuständigkeit für Europa beim Wirtschaftsministerium liegt, das nach fast fünf Jahrzehnten wieder von der CDU geleitet werden wird.
Die Förderung von Familien ist der Union schon immer ein wichtiges Anliegen gewesen. Mit der Erhöhung des Kindergeldes um 25 Euro pro Kind und Monat wird in dieser Legislatur eine spürbare Entlastung von Familien kommen, die zudem mit einem Baukindergeld von 1.200 Euro pro Jahr bei dem Erwerb von Wohneigentum gefördert werden können. Darüber sind weitere steuerliche Anreize für freifinanzierten Wohnungsbau vereinbart. Für sozialen Wohnungsbau werden zwei Milliarden Euro zusätzlich bereitgestellt, insgesamt sollen 1,5 Millionen neue Eigenheime entstehen.
Um die wichtige Arbeit unser Sicherheitsbehörden und die innere Sicherheit in unserem Land zu stärken, werden u.a. 15.000 neue Stellen bei der Polizei und 2.000 neue Stellen bei der Justiz geschaffen.
Die weitere Verbesserung der Situation in der Pflege wird in den kommenden Jahren mit Blick auf die demografische Entlastung eine der größten Herausforderungen. 8.000 neue Fachkräfte in der Pflege sollen ein erster wichtiger Schritt sein, darüber hinaus wird künftig ein Einkommen bis zu 100.000 Euro von einem Rückgriff bei der Pflege ausgenommen.
Als rohstoffarmes Land muss ein herausragender Schwerpunkt in der Förderung von Bildung und Forschung liegen. Deutschland soll zum führenden Standort künstlicher Intelligenz werden. Die Erforschung von autonomer Mobilität, die Förderung der Batterieforschung und der Aufbau einer Batteriezellenproduktion sind weitere Kernanliegen. Bis zum Jahr 2025 sollen mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung investiert und die steuerliche Forschungsförderung ermöglicht werden. Für den Ausbau der digitalen Infrastruktur werden 10-12 Milliarden Euro bereitgestellt. Nicht unerwähnt lassen möchte ich an dieser Stelle, dass für Ausgestaltung der Digitalisierung nicht nur Geld, sondern auch eine abgestimmte strategische Planung notwendig ist. Aufgrund der vereinbarten Ressortverteilung liegen alle relevanten Schlüsselbereiche der Digitalisierung (digitale Infrastruktur, Verkehr, Wirtschaft, Gesundheit) in der Verantwortung der Union. Ich bin mir dessen bewusst, dass in der Gesellschaft viele Sorgen und Ängste mit der digitalen Revolution verbunden sind. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass die weitere Entwicklung unseres Landes in ausgesprochen hohem Maße davon abhängen wird, ob es uns gelingen wird, die Chancen und Potenziale zu nutzen.
Im Bereich der Europapolitik ist die geplante Weiterentwicklung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu einem Europäischen Währungsfonds (EWF) wie von der Union gefordert unter die Kontrolle des deutschen Bundestages (Parlamentsvorbehalt) gestellt worden. Die gemeinsame Verteidigungspolitik, ebenfalls ein Kernanliegen der Union, wird zu einer Verteidigungsunion weiterentwickelt. Im Zuge der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei werden keine weiteren Verhandlungen geführt. Eurobonds und eine Vergemeinschaftung von Schulden wird es auch weiterhin nicht geben, stattdessen verpflichtet sich die Koalition zur zügigen Einhaltung der Stabilitätskriterien von Maastricht.
Die von der SPD geforderte Einheitsversicherung, die alles nur keine Verbesserung der Gesundheitsversorgung in unserem Land mit sich brächte, wurde bei den Verhandlungen zur Gesundheitspolitik verhindert.
All diese Punkte waren und sind seit Jahren, teils seit Jahrzehnten ureigene Forderungen und Positionen der CDU!
Der Vertrag enthält zweifellos auch problematische Vereinbarungen - insbesondere im Bereich der Rentenpolitik. Die Festschreibung der Rentenhöhe auf 48 Prozent entspricht sicherlich der Erwartungshaltung weiter Teile der Bevölkerung, erfordert aber mit der gleichzeitigen Deckelung des Beitragssatzes bei maximal 20 Prozent erhebliche dauerhafte Mittelaufwendungen. Das gilt auch für die Grundrente, die künftig ab 35 Beitragsjahren eine Rente noch 10 Prozent oberhalb der Grundsicherung vorsieht. Bei der Mütterrente sollen für diejenigen Mütter, die vor dem Jahr 1992 drei oder mehr Kinder geboren haben, der letzte noch fehlende Beitragspunkt angehoben werden, der noch zu einer Gleichstellung mit Müttern, die nach 1992 Kinder geboren haben, fehlt – auch dies ist eine Kernforderung der Union, vor allem der CSU.
Insbesondere für die Regelung der Grundrente habe ich großes Verständnis, da ich niemanden kenne, der den Anblick von Pfandflaschen sammelnden älteren Menschen in Ordnung findet. Gleichwohl fehlt es dem Koalitionsvertag bei dem Thema Rente an Ehrlichkeit. Eine Stabilisierung der Beitragssätze und des Rentenniveaus müsste dann zwingend eine Erhöhung des Renteneintrittsalters gegenüber gestellt werden, um das System stabil zu halten und um die junge Generation nicht noch mehr zu belasten. Die Verlagerung dieser Frage in eine Rentenkommission überzeugt mich nicht. Ob ich dem Rentenpaket im Bundestag zustimmen kann, wird deshalb sehr stark davon abhängen, welche Finanzierungswege genommen werden sollen und welche Vereinbarungen zum Renteneintrittsalter gemacht werden.
Die im Rahmen der Vereinbarungen zur Einschränkung der sachgrundlosen Befristung getroffene Regelung bedeutet zweifellos eine Einschränkung der Flexibilität der betroffenen Unternehmen. Die Regelung war daher kein Anliegen der Union. Ich halte es dennoch für richtig, weil eine soziale Marktwirtschaft in meinen Augen eben auch erfordert, dass Menschen nicht über Jahre hinweg mit befristeten Kettenarbeitsverträgen einer eigenen Zukunftsplanung beraubt werden.
Im Bereich der Steuerpolitik hätte ich mir ohne Frage eine stärkere Entlastung der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes gewünscht. Sie haben den Überschuss der letzten Jahre maßgeblich erwirtschaftet. Ich halte es daher für dringend geboten, dass etwaige über die in Finanzplanung festgehaltenen Steuererwartungen hinausgehende Mittel nicht für einen Ausbau des Sozialstaates, sondern für die Steuerentlastung der Bürgerinnen und Bürger eingesetzt werden.
Zusammenfassend halte ich den Koalitionsvertrag inhaltlich für gelungen. Er gibt gute Antworten auf die drängenden Fragen der Migration, der inneren Sicherheit, des Wohnungsbaus, der weiteren Entwicklung Europas, der Förderung von Familien und der Gestaltung der Digitalisierung.
Die Verteilung der Ressorts entspricht ohne Frage nicht meinen Wünschen. Insbesondere der Verlust des Finanzministeriums wiegt schwer – auch wenn wir dieses auch im Falle eines Zustandekommens von Jamaika ebenfalls nicht gestellt hätten. Die Frage, welche Personen innerhalb der zugesagten Ressorts die Verantwortung übernehmen, liegt allein in der Verantwortung der jeweiligen Partei. Ob sich die SPD einen Gefallen damit tut, für das Kabinett eine Person zu benennen, welche den Eintritt in das Kabinett zuvor explizit ausgeschlossen hat, muss sie selbst beantworten. Aus meiner Sicht leidet aber die Glaubwürdigkeit von Politik insgesamt darunter, wenn es so kommt.
Die CDU muss die kommenden Jahre zwingend dazu nutzen, die Partei in der Regierung zu erneuern und zu verjüngen. Dabei kommt der Besetzung der Ressorts eine wichtige Bedeutung zu. Ich habe die Erwartung, dass diese personelle Erneuerung stattfindet und weise an dieser Stelle darauf hin, dass es sich bei den bislang diskutierten Namen für Ministerien auf Seiten der CDU ausschließlich um nicht bestätigte Gerüchte handelt.
Dennoch wird die Zukunft unseres Landes nur wenig von der Verteilung der Ressorts und deren Besetzung mit einzelnen Personen abhängen. Es wird Zeit, dass wir uns mit den Zukunftsfragen auseinander setzen, die in den letzten Monaten kaum eine Rolle gespielt haben. Die Welt um uns herum wartet nicht auf uns – ja sie freut sich teilweise sogar, wenn wir die Zukunft verschlafen. Diesen Gefallen sollten wir niemandem tun. Stellen wir die richtigen Fragen, finden wir Lösungen für sie und packen wir es gemeinsam an – für die Zukunft unseres Landes.